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Dieser Künstler braucht ein Gerüst zum Malen

Der Künstler bei der Arbeit: Auf dem Fußballplatz von Alaró malt Joan Aguiló derzeit ein neues Wandgemälde. | Patricia Lozano

| Mallorca |

Seine blaue Arbeitshose ist voller bunter Kleckse, sie sieht aus wie ein Drip Painting von Jackson Pollock. Doch Joan Aguiló lässt die Farbe nicht auf einen Untergrund tropfen. Gewöhnlich stellt er ein Gerüst auf oder fährt den Kran aus, tunkt Rolle oder Pinsel in Farbe und macht sich ans Werk.

Aguiló ist Street Artist, seine Ausstellungsort ist der öffentliche Raum. Den Wandgemälden des Künstlers begegnet man auf Mallorca am vielen Orten: Zum Beispiel blicken einem mitten in Palmas Stadtviertel Sa Gerreria die "drei Könige" entgegen, drei ältere Männer mit Baskenmütze, sie sich auf ein rot-weiß gemustertes Geländer stützen. In Peguera und Can Picafort, in Santa Margalida und in Palma, ganz in der Nähe des Bahnhofs des Zugs von Sóller zieren seine Gemälde ganze Hausfassaden. Ein weiteres Wandbild entsteht derzeit am Fußballplatz von Alaró auf einer großen Mauer direkt hinter dem Tor.

Aguiló ist Palmesaner. In seiner Heimatstadt studierte der 33-Jährige zunächst Grafik, absolvierte dann in Barcelona ein Kunststudium, verbrachte ein Jahr in Mexiko. Zur Street Art kam er vor fünf Jahren in Berlin. Zwei Monate war er in der deutschen Hauptstadt, traf auf Kollegen, ließ sich von ihnen erklären, wie sie arbeiteten. Diese Art der Kunst sei demokratisch, erklärt er, warum er Papier und Leinwand gegen Mauerwerk tauschte. "Sie ist nicht nur einem kleinen Zirkel von Galeriebesuchern zugänglich, sondern jeder kann sie sehen. Und niemand legt fest, ob eine Arbeit Kunst ist, jeder entscheidet selbst, ob sie ihm gefällt."

Als Aguiló auf der Insel begann, öffentliche Räume zu gestalten, war die Street Art noch kaum verbreitet. "Es dauert immer, bis auf Mallorca die Dinge ankommen und sich der Erste getraut. Aber wenn die anderen sehen, dass etwas funktioniert, passen sie sich sehr schnell an", schildert der Künstler einen Wesenszug der Insulaner.

Aggressive politische Botschaften, wie er sie in Berlin gesehen hat, verwendet Aguiló nicht. Er bevorzugt die subtile Variante, verbindet Urban Art mit mallorquinischem Stil, verwendet sanfte statt grelle Farben, die das Auge entspannen. Mit seiner figurativen Malerei stellt er Szenen aus dem normalen Leben dar, spielende Kinder am Strand, ein schnüffelnder Hund, eine Mutter mit Kleinkind auf dem Arm, Männer, die gemeinsam schweigen: "Die Poesie liegt im Alltäglichen", lautet sein Credo.

Dieses Alltägliche ist von der mallorquinischen Kultur geprägt, und Aguiló zählt sich zu einer Generation, die diese Kultur aufwertet. "Früher wurde auf alles, was mallorquinisch war, herabgeschaut, jetzt kann man ganz frei und normal damit umgehen", sagt er.

Mit seiner Street Art ruft Aguiló den Betrachtern nicht nur seine Kultur, sondern auch den öffentlichen Raum ins Bewusstsein. "Oft sagen mir Leute, dass ihnen gar nicht aufgefallen war, dass dort eine Mauer steht", erzählt er. Da liegt die Frage nach der Nutzung dieses Raumes ganz nah. "Obwohl der öffentliche Raum allen gehört, ist das Spielen auf der Straße nicht erlaubt und das Anbringen von Plakaten verboten", übt der Künstler Kritik.

Neben öffentlichen und privaten Aufträgen für die Verschönerung von Fassaden und Mauern zieht er auch schon mal los, um zugemauerte Türen oder die bröckelnden Wände verlassener Häuser zu bemalen. So entstand auch sein Gemälde von den "Drei Königen" in Palma. Um Erlaubnis hat er nicht gefragt. "Das ist eigentlich illegal", räumt er ein und ergänzt lächelnd: "Aber beschwert hat sich bis jetzt niemand."

Wenn er einen Auftrag erhält, malt Aguiló auch weiter Bilder auf Papier und Leinwand. Allerdings jetzt in der Art seiner Wandgemälde. "Man kann das eine nicht vom anderen trennen", meint er. Wohin ihn das führt, weiß er selbst nicht. Warum auch: "Das ist ja das Schöne, das alles offen ist."

(aus MM 3/2017)

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