Der Almudaina-Palast hat in seiner Geschichte zahlreiche Umbauten erfahren. Schon als sich die römischen Besatzer auf Mallorca einrichteten, wählten sie diesen Ort, um hier die heutige Inselhauptstadt zu gründen – an der höchsten Erhebung weit und breit. Auch die muslimischen Herrscher hatten hier ihren Regierungssitz. Nach der Eroberung durch die aragonesischen Truppen wurde die bestehende Wehranlage dann zum Königssitz umgebaut.
Aus muslimischer Zeit sind einige Überreste erhalten. Wie sehr sich der Palast im Laufe der Zeit verändert hat, ist besonders gut im gotischen Saal zu erkennen. Schon auf den ersten Blick fallen die merkwürdig abgeschnittenen Spitzbögen auf. Tatsächlich ist hier nur deren oberster Teil zu sehen: Der Fußboden wurde im 16. Jahrhundert nachträglich eingezogen – ursprünglich gehörte dieser Teil zum einst zwölf Meter hohen Thronsaal.
Hier nicht fotografieren, warnt die junge Frau mit dem „Security”-Schriftzug auf dem Rücken. In diesem Teil des Almudaina-Palastes sei es nicht erlaubt, Fotos zu machen. Mehr könne sie nicht verraten. Auch die Frau im dunkelblauen Hosenanzug, die die Besuchergruppe an diesem Vormittag herumführt, weist noch einmal darauf hin: „Nur in diese Richtung fotografieren!” Dabei zeigt sie auf einen Turm am äußersten Ende der Anlage.
Normalerweise ist die Torre dels Caps, der „Turm der Köpfe”, nicht aus nächster Nähe zu besichtigen. Schließlich liegt er in diesem geheimnisvollen Teil des Almudaina-Palastes, der nur jetzt, in diesen Tagen (aus MM 14/2021) zugänglich ist. Seinen Namen verdankt der Turm einer ziemlich makabren Tradition: Früher, vor vielen Jahrhunderten, da war es üblich, von den Zinnen die abgeschlagenen Köpfe der zum Tode verurteilten Verbrecher zu hängen – als Abschreckung für die Bewohner Palmas: „Seht her, so ergeht es denen, die sich nicht an die Gesetze halten.”
Überhaupt nicht zu sehen sind normalerweise die beiden enormen Wasserbecken zu Füßen des Turmes, die sogenannten Albercas Reales. Hinter ihnen verbirgt sich eine der größten Ingenieurleistungen in der Geschichte der Stadt. Denn hier endete einst die kilometerlange Kanalanlage, durch die das Trinkwasser aus den vor den Toren Palmas gelegenen Quellen in die Stadt geleitet wurde. Ersonnen und umgesetzt wurde das System während der muslimischen Herrschaft zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert.
Heute steht in den Becken ziemlich modriges Wasser, viele Jahrhunderte lang war dies die Wasserversorgung des königlichen Palastes – unter anderem der arabischen Bäder, deren Überreste man dort bis heute besichtigen kann. Ebenso wie den alten Thronsaal, unzählige Zimmer, Räume und Gemächer mit prunkvollen Möbeln, dicken Teppichen auf dem steinernen Fußboden und kunstvoll gewebten an den Wänden. Es gibt eine Sitzbank aus Katzenleder, Ölgemälde mit opulenten Stillleben und Vitrinen voller antiker Tongefäße.
Bis heute ist die Almudaina die offizielle Residenz der spanischen Monarchen auf der Insel. Wenn Felipe VI. auf Mallorca weilt, dann wohnt er zwar im Marivent-Palast in Cala Major, die meisten offiziellen Empfänge aber finden hier statt. Dann defilieren die geladenen Gäste im blumengeschmückten Innenhof an der Königsfamilie vorüber.
Geschichten wie diese bekommt zu hören, wer die Anlage nicht auf eigene Faust besichtigt, sondern pro Person zwei Euro mehr investiert und sich einen Führer leistet. Dann gibt es auch die eine oder andere Anekdote obendrein. Wie etwa den geraunten Hinweis, dass das Foto des Königspaares, das in einem der Räume an der Wand hängt, Letizia noch mit krummer Nase zeigt, also vor ihrer in Spanien viel diskutierten Schönheits-Operation.
Man erfährt auch, dass sogar schon einmal ein Liebespaar aus dem fernen Japan extra nach Palma gereist kam, um in der Santa-Ana-Kirche zu heiraten, die ebenfalls zu der einstigen Wehranlage gehört. Dort wird es dann auch noch einmal etwas makaber: In der der heiligen Praxedis gewidmeten Kapelle liegt in einer gläsernen Kiste ein Haufen Knochen – der Überlieferung zufolge die Gebeine der Heiligen und eine der bedeutendsten Reliquien auf Mallorca.
Und auch das Rätsel um den offenbar so sicherheitsrelevanten Teil der Anlage, in dem das Fotografieren strikt untersagt ist, löst sich dann noch auf. Hier befindet sich das Hauptquartier der spanischen Landstreitkräfte auf der Insel. Aber pssst, auf keinen Fall weitersagen!