Wenn Tomeu Morro über Brot und Mehl spricht, dann ist er in seinem Element. Als "Forscher alter Getreidesorten" bezeichnet sich der Mallorquiner selbst, und am liebsten experimentiert er in seiner eigenen Backstube. Dann rieselt in Steinmühlen gemahlenes Mehl durch seine Finger, aus selbst angebautem Korn, welches er in gärenden Sauerteig und später in duftendes Steinofenbrot verwandelt.
"Blat Xeixa", "Blat Mort" oder "Blat Barba" heißen die alten mallorquinischen Weizensorten, die Tomeu auf seiner Finca C'an Balaté bei Pollença im Norden von Mallorca anbaut. "Valencia Roig" (Hartweizen) war auch schon darunter, oder etwas "Vestit" (Dinkel). Vor zehn Jahren begann er, auf rund zwei Hektar die einheimischen Sorten anzubauen, unter streng ökologischen Gesichtspunkten. Dieses Getreide sei in den letzten 50 Jahren in Vergessenheit geraten, weil neue, gekreuzte Arten mehr Erträge brachten.
"Meine Felder sehen nicht so aus wie aus dem Bilderbuch, hier wächst kein Halm wie der andere." Auf modernen Getreidefeldern stünden die Ähren wie Soldaten in Reih' und Glied, der ökologische Anbau der alten Sorten bringe viel mehr Chaos und Wildwuchs, aber auch einen viel höheren Ernährungswert, was sich auch in den erzeugten Endprodukten zeige. "Brot aus alten Getreidesorten - unverändert durch Kreuzung, Genmanipulation oder künstliche Düngemittel - liefert wertvolle Mineralien, Vitamine, Proteine, Kohlenhydrate, und Ballaststoffe." Ganz zu schweigen von Geschmack und Haltbartkeit. "Unsere Brote schmecken auch nach vier bis fünf Tagen noch gut." Ein Industriebrot biete dagegen nichts als leere Kalorien.
Langsam träufelt er goldenes Olivenöl auf sein frisches "pan de espelta", dann reibt er noch eine Ramillet-Tomate aus eigenem Anbau übers Dinkelbrot. Ein wenig Salz, fertig ist "der köstlichste Snack der Welt".
Drei alte Weizensorten baut Tomeu an, ab diesem Herbst soll noch die iranische Sorte "Khorasan" hinzukommen. Im November wird gesät, geernet wird das Korn dann erst neun Monate später. "Wir setzen allerdings normale Erntetraktoren ein und arbeiten nicht mehr mit Pferd und Karren." Er ist heute der einzige Ökobauer auf Mallorca, der gleichzeitig anbaut und backt.
Insgesamt zehn Sorten Brot produziert Tomeu inzwischen und verkauft sie Dienstags und Samstags auf Palmas Ökomarkt auf der "Plaza de los Patines". Seine italienische Frau Bianca Riso steuert süßes Gebäck bei. Auch an anderen Ständen des Marktes stehen Bäcker und verkaufen Dinkel-, Weizen- oder Mischbrote aus ökologisch angebautem Getreide, das allerdings nicht ausschließlich aus Inselanbau stammt.
Albert Masnou aus Portocristo verteibt seine Backwaren inzwischen über verschiedene Märkte und Ökoläden in Palma, und kauft sein Mehl von Inselproduzenten, aber auch vom Festland oder aus Deutschland. "Dinkel gibt es hier auf Mallorca nur sehr wenig, und Roggen wird gar nicht angebaut, deshalb müssen wir unsere ökologischen Zutaten auch außerhalb kaufen", sagt der Bäcker.
Auch sein Kollege Peio Zalba bestätigt dies. Eine Spezialität aus seiner Bäckerei hat er "pan alemán" genannt. Das "deutsche Brot" enthält fünf verschiedene Getreidesorten und - im Gegensatz zu vielen anderen mallorquinischen Broten - auch Salz. "Roggen und Dinkel kaufe ich meistens auf dem Festland oder sogar in Deutschland."
Den Erfolg der Biobrote sieht Peio nicht nur im Geschmack: "Viele ökologisch angebaute, autochthone Getreidesorten enthalten kaum Gluten, ideal für Menschen mit Unverträglichkeiten gegen den Kleberstoff. Viele Leute glauben, sie hätten eine generelle Weizenallergie, dabei ist es eine Allergie auf den industriell veränderten Weizen, in dem gegenüber alten Weizensorten 14 neue Glutenformen gefunden wurden, die unser Verdauungssystem noch gar nicht gewöhnt ist", erklärt er.
Neben dem Geschmack ist es also vor allem der gesundheitliche Aspekt, der die Nachfrage nach natürlichen, unbehandelten Produkten steigen lässt. Immer mehr Menschen wüssten die ökologischen Backwaren zu schätzen. Und wie man Kinder auf den "richtigen Weg" bringt, das weiß Bianca auch. Ihre duftende Xeixa-Pizza geht an diesem Morgen weg wie warme Semmeln.
(aus MM 5 /2014)