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Ratgeberkolumne: "November Rain" – Herbstliche Verstimmtheit und Stimmungstief oder schon Depression?

Haben sich diese gefiederten Gesellen etwa verabredet, um Sonne für die lichtärmere Jahreszeit zu tanken? | Talia Christa Oberbacher

| Mallorca |

Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.

Kennen Sie den Hit der Rockband Guns n’ Roses aus dem Jahre 1991? Es gibt kaum ein deprimierenderes Video, als das zu diesem Stück. Ein verfilmter Alptraum des Leadsängers über die große Liebe, Hochzeit und Tod, alles vereint in sagenhaften neun Minuten. Dazu das legendäre Gitarrensolo von Slash, einem der besten Gitarristen seiner Zeit. Wann immer dieses Stück im Radio läuft, habe ich November: Nebel, nasses Laub, dieser leicht modrige Geruch nach Abschied, der in der Luft liegt. Ich liebe diese Stimmung. Sicher, sie macht mich nachdenklich, oft auch etwas traurig, aber sie hilft mir auch, mir Zeit für mich zu nehmen. Vor allem in diesem Jahr. Nach dem endlosen Sommer, der geprägt war von allem, was man eben so macht, wenn die Temperaturen dazu einladen, wie schwimmen gehen, sich mit Freunden treffen, die Natur genießen. Jetzt aber endlich mal wieder zu Hause bleiben. Auf dem Sofa lesen oder nachdenken oder einfach nur Sein.

Gleichwohl hier auf Mallorca die Temperaturen im Herbst und Winter meistens einigermaßen angenehm bleiben, so gibt es doch auch hier die Jahreszeiten. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich ist es wichtig, das sich stets wiederholende Spiel dieser vier Gesellen zu erleben. Und im Herbst gehört es eben dazu, ein bisschen nach innen zu schauen und sich auf die dunkle und stille Zeit einzustimmen. Viele Menschen haben Angst davor, weil sie fürchten, dass sie in eine schwierige Stimmungslage rutschen, aus der sie nicht wieder herausfinden. Tatsächlich fallen etwa ein Drittel der Deutschen in den Wintermonaten in ein Stimmungstief.

Dabei muss es sich aber nicht zwangsläufig um eine "Winterdepression" – eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, handeln, die nur in der kalten Jahreszeit auftritt. Dazu schreibt der National Geographic auf seiner Webseite in einem Artikel aus 2021: Prof. Ulrich Hegerl ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe […]. Der Psychiater erklärt: "Die meisten Depressionen im Winter sind keine Winterdepressionen, sondern typische Depressionen, die einfach in dieser Jahreszeit auftreten.” Ein großer Unterschied zwischen den beiden Erkrankungen: Die Winterdepression ist laut Hegerl nicht so schwer. Betroffene schaffen es meist noch – wenn auch mit großer Anstrengung – ihrer Arbeit nachzugehen. Bei einer typischen Depression sei das seltener der Fall. Die Winterdepression muss aber auch vom gewöhnlichen Winterblues abgegrenzt werden, den nahezu alle Menschen kennen. „Ein kleines bisschen melancholischer zu sein, hat nichts mit einer Erkrankung zu tun", erklärt Prof. Ulrich Hegerl. „Bei einer Depression kann man eine derartige melancholische Stimmung gerade nicht wahrnehmen, man fühlt sich wie abgestorben und versteinert."

Frau Dr. Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, nennt in dem Artikel den wohl größten Unterschied: "Eine Winterdepression ist saisonal abhängig, kommt also nur in den kälteren und dunkleren Monaten vor.” Leidet man an dieser psychischen Erkrankung, isst man außerdem oft mehr. "In wenigen Fällen ist die Lust auf Süßigkeiten sehr stark erhöht", meint die Expertin. Typische Depressionen gehen dagegen meist mit Appetitlosigkeit und auch Schlafstörungen einher. Bei einer Winterdepression gibt es im Gegensatz dazu meist ein erhöhtes Schlafbedürfnis: Betroffene schlafen oft viel mehr als gewöhnlich.

Übrigens ist die Idee, sich unter der Bettdecke zu verkriechen und Winterschlaf zu halten, zwar grundsätzlich naheliegend, aber nicht wirklich hilfreich. Dazu Prof. Hegerl: "Zu lange im Bett sein, dösen oder schlafen, ist der Weg, über den sich Depressionen verschlechtern oder anschleichen", sagt er. Eine Winterdepression könnte man also demnach gut in den Griff bekommen, wenn man sein Schlafverhalten entsprechend anpasst und nicht länger als acht Stunden je 24 Stunden im Bett verbringt.

Darum, raus aus den Federn, und ab nach draußen. Bewegung an der frischen Luft, auch wenn frisch eher untertrieben ist, tut gut. Vor allem lässt sich so das ohnehin reduzierte Tageslicht maximal ausnutzen. Dieses bewirkt, dass verstärkt der Stimmungsaufheller Serotonin ausgeschüttet wird. Strahlenden Sonnenschein braucht es dafür nicht. Auch wenn Wolken den Himmel verhängen, ist dafür ausreichend Tageslicht vorhanden. Wenn Sie arbeitsbedingt eher wenige Möglichkeiten haben, Tageslicht zu tanken, sollten Sie möglicherweise in eine Tageslichtlampe investieren, die zumindest Ihrem Körper und Ihrem Hormonsystem vorgaukelt, an der Sonne zu sein.

Hilfreich kann es auch sein, ab und zu Reiseberichte im Fernsehen anzuschauen oder Bilder vom letzten Urlaub zu betrachten. Und dann träumen Sie sich in den nächsten Sommer. Auch ein bisschen ätherisches Öl aus der Schale von Zitronen, Mandarinen oder Grapefruit in einer Duftlampe (bitte wählen Sie dazu hochwertiges Öl aus der Apotheke oder dem Reformhaus) kann die imaginäre Reise unterstützen. Vielleicht nehmen Sie auch gerne ein Bad mit schaumigen oder öligen Zusätzen. Auch hier gibt es die entsprechenden Düfte nach Lavendelfeldern oder Orangenplantagen, die Ihre Sommerlaune hervorlocken, auch wenn es draußen stürmt und schneit. Und Sie wissen ja, der nächste Sommer kommt bestimmt. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie mehr als nur etwas melancholisch und nachdenklich sind, sollten Sie unbedingt Ihren Hausarzt aufsuchen. Dieser wird dann entweder Ihren Verdacht bestätigen und Sie, falls erforderlich, an einen Facharzt überweisen oder Sie im besten Fall beruhigen können. In dem Artikel heißt es: Allein in Deutschland erkranken mehrere Millionen Menschen jedes Jahr an einer Depression. Allerdings gibt es gute Heilungschancen. "Depressionen werden oftmals schwer unterschätzt, doch sie sind gut behandelbar", betont der Professor. Und das gilt gleichermaßen für die Winterdepression. Wenn Sie dann wissen, womit Sie es zu tun haben, können Sie mit einer entsprechenden Behandlung starten, damit es Ihnen bald wieder besser geht. Vielleicht können Sie dann auch die nebligen, kühlen Tage ein bisschen besser aushalten, oder möglicherweise sogar genießen.

Talia Christa Oberbacher ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic.

(aus MM 46/2022)

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