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Es geht auch ohne Schicki-Micki: Das sind Palmas urige Bars mit arbeitnehmerfreundlichen Preisen

MM hat sich in einigen traditionellen Hausmannsbars mit einheimischer Atmosphäre umgesehen und wohlgefühlt

Die Bar "Cisne" zählt zu den Klassiker "einheimischer" Lokale | Foto: Ingo Thor

| Mallorca |

Wenn der chinesische Betreiber der Bar „Bons Aires 13” im historischen Zentrum von Palma de Mallorca (Horts-Straße) besonders gut drauf ist, dann bereitet er seine Hamburger (6,50 Euro nebst Pommes Frites) mit besonderer Hingabe, ja sogar Liebe zu. Dann lässt er das Spiegelei so kunstvoll brutzeln und bewegt die Pfanne dabei so virtuos, dass man als Kunde – während man im Fernseher die neuesten Nachrichten schaut – vor lauter atavistischem Appetit auf den Zehenspitzen wippt. Und dann formuliert der Mann manchmal einen prägnanten Satz, der hängen bleibt: „Keiner in der Gegend macht die Hamburger so günstig wie wir!” Der Chinese, der das ein wenig an eine Abstellkammer erinnernde Lokal seit vielen Jahren mit seiner Frau betreibt, schafft es spielend, das Geviert Abend für Abend mit vor allem jungen Spaniern zu füllen. Was auch an den Bierpreisen liegen dürfte, die verglichen mit zahlreichen Touristenbars in der Altstadt sehr günstig sind.

Selten werdende Lokale im Stadtzentrum

Das rustikale „Bons Aires 13” gehört angesichts der beschleunigten Gentrifizierung und allgemeinen Oh-là-là-Aufblondung des „centro histórico” inzwischen einer eher seltenen Spezies an. Preisgünstig, familiär und unprätentiös geht es innerhalb des Innenstadtrings Avenidas in nicht mehr allzu vielen Lokalitäten zu. Und diese werden immer weniger. War etwa die „Bar Central” gegenüber dem CaixaForum noch vor wenigen Jahren ein von Ausländern eher gemiedenes Einheimischen-Vestibül, richten sich dort heutzutage abends, wenn alle gucken, kapriziöse Touristinnen bei Aperol Spritz ihre gestylten Frisuren, während ihre Begleiter ihre glänzenden Rolex-Uhren zeigen.

Dem Trend zum gesichtslosen und teuren Schick widerstanden hat neben dem „Bons Aires 13” auch die Legendenstatus genießende „Bar Espanya – Can Vinagre” in der Oms-Fußgängerzone. Für die Bewahrung der Identität verantwortlich zeichnet seit Jahrzehnten das Gastro-Urgestein Mateo Martorell, dessen an der Wand hängendes Porträt jedem, der hier hereinschneit, wortlos und unmissverständlich mitteilt, dass man hier radikal unwillig ist, sich dem Trend hin zu Wellness-Bars für flippig-schicke Digital-Nomaden oder deutsche Hafermilch-Familien anzuschließen. Den Hauswein bekommt man für arbeitnehmerfreundliche 3,15 Euro im gut gefüllten Glas serviert, die hinter der Bar aufgehängten, herrlich hässlichen Uhren kann man derweil frohgemut in Augenschein nehmen.

Wie in den 1960ern oder 1970ern fühlt man sich auch in der „Bar El Cisne” im Carrer de Berenguer de Sant Joan, wo Mariano González dafür sorgt, dass sich manch einer, der hier hineinfindet, bei einer „caña” zu vorgerückter Stunde so wohlfühlt, dass er feixend sogar einen schmutzigen Witz zu erzählen wagt. Hinter dem Tresen ist wie schon in den vergangenen Jahrzehnten eine Werbung für ein Getränk zu sehen, das auf der Insel einst dem Vernehmen nach ein Klassiker war: „Lumumba”, eine schnell aufheiternde Mixtur aus Cognac und urmallorquinischem „Laccao”-Kakao.

Ein Stück Tortilla gegenüber der Nationalpolizei

Will man die Unkompliziertheit des Daseins zelebrieren, ohne arm zu werden, kann man auch ins „La Tapita” gegenüber dem Präsidium der Nationalpolizei gehen (Carrer Simó Ballester), wo dubiose Gestalten auf Ordnungshüter treffen und so mitunter interessante Gespräche aufkommen. Der Tortilla-Pincho kostet dort 3 Euro, jeder Toast schlägt mit 1,20 Euro zu Buche.

Angenehm profan geht es auch in der „Bar Vicente” (Carrer Rubén Darío 2) zu, in welcher man auf wackeligen Holzstühlen dem Wirt Javier beim proaktiven Hantieren hinterm Tresen zuschauen kann.

Die guten alten Hausmannsbars in Palmas Zentrum dünsten eine durchaus trutschige, auf fast heilige Weise bescheidene Authentizität aus, die hier noch vor nicht allzu langer Zeit überall heimisch war. Aufgeweicht in einem immer vernehmbareren Urlauber- und Schicki-Allerlei, ist daraus ein mehr und mehr verwechselbarer, zunehmend identitätsloser Zustand geworden. Es sind Wirte wie Mateo Martorell, der Chinese vom „Bons Aires” oder Mariano González, die der allgemeinen Weichspülung noch immer widerstehen – bis auf Weiteres.

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