Mallorca – Vor genau einem Jahr schlug die Nachricht wie eine Bombe ein, und seitdem ist in den Wirtschaft der Insel vieles anders, als man es von früher her kannte. Am 16. Juni 2008 meldete der mallorquinische Bauunternehmer Vicenç Grande vor dem Handelsgericht in Palma Zahlungsunfähigkeit an. Für sein Firmenimperium Grupo Drach, das aus 14 Einzelbetrieben bestand und die bedeutendste Wohnungsbaugesellschaft auf dem Archipel stellte, bezifferte Grande den Schuldenberg auf 700 Millionen Euro. Die Insolvenz war damals nicht nur die größte Unternehmenskrise in der Geschichte der balearischen Wirtschaft, sie bildete auch den Auftakt zu einer beispiellosen Abwärtsbewegung im Zuge einer Weltkonjunktur, die sich zusehends verschlechterte: Ausgelöst durch die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt geriet Mitte September sogar das Weltfinanzsystems an den Rand des Abgrunds. Nur mit Finanzspritzen wie nie zuvor und drastischen Zinssenkungen gelang es den Industrienationen, das Implodieren des weltweiten Bankensystems zu verhindern.
Parallel zu den internationalen Entwicklungen platzte in Spanien die sogenannte Immobilien-Blase. Die Krise hatte bereits begonnen, sich abzuzeichnen. Im Königreich waren die Zinsen in sechs Jahren bis September 2008 von ursprünglich 2'4 auf 4'8 Prozent geklettert. Viele spanische Familien, die sich beim Wohnungskauf in der Regel hoch verschulden, ächzten unter der Belastung. Für Anwärter wurden der Kauf der eigenen vier Wände unerschwinglich. Viele Wohnungen, die in Zeiten der Goldgräberstimmung von Bauunternehmern – häufig ebenfalls auf Pump – errichtet worden waren, fanden plötzlich keinen Käufer mehr.
Im Vorfeld der Grande-Insolvens waren die spanischen Immobilienverkäufe in den vergangenen neun Monaten um 60 Prozent geschrumpft, auf den Balearen reduzierte sich die Zahl der Neubau im 1. Quartal um 57 Prozent. Viele Kleinbetriebe hatten da schon dichtmachen müssen.
Grandes gesamtes Firmenimperium und sein Besitz wurde unter die Kontrolle des Gerichts und dreier Insolvenzverwalter gestellt. Nach aufwendigen Überprüfungen stand fest: Der Schuldenberg war noch viel höher war als zunächst angenommen. Der Bericht der Verwalter vom November bilanzierte, dass der Baulöwe rund 700 Gläubigern über eine Milliarde Euro schuldet. Auf der Habenseite standen Besitztümer wie Firmen, und Immobilien im Wert von – rein rechnerisch – 1'2 Milliarden Euro. Hierzu zählen viele Hektar Land und historische Fincas, wie jene, in der das Hotel Hilton in Betrieb ist.
Beobachter des Verfahrens gehen davon aus, dass die Gläubiger nicht mit der vollen Rückzahlung ihrer Außenstände rechnen können. Die Insolvenzverwalter sind derzeit damit beschäftigt, in Einzelverhandlungen mit rund 100 Gläubigern, die Widerspruch eingelegt hatten, zum Einvernehmen zu kommen. Ziel der Verwalter ist es, bis August oder September die Schuldenlast der Grupo Drach von 930 Millionen Euro auf 300 Millionen zu verringern.
Viele der kleinen Gläubiger haben sich mit dem Vorschlägen der Insolvenzverwalter einverstanden erklärt. Ihnen ist eine Teilbegleichung ihrer Schulden – nolens volens – lieber, bevor sie ganz leer ausgehen.
Die Zukunft von Vicenç Grande ist weiter unklar. Zumindest in Sachen Fußball schuf das Insolvenzgericht bereits Tatsachen. Grande, der vor seiner Insolvenz 93 Prozent der Anteile an Real Mallorca besaß, musste sich zu Jahresbeginn von seinem Aktienpaket trennen. Bereits im Dezember trat er vom Präsidentenamt des Klubs zurück. Der Verein ist mit rund 60 Millionen Euro verschuldet.