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Jaume Matas - Vom Macher zum Buhmann

Dem Ex-Ministerpräsidenten drohen achteinhalb Jahre Haft

Trotz wüster Beschimpfungen der Schaulustigen verlässt Jaume Matas das Gerichtsgebäude in Palma lächelnd. | Foto: Pere Bota

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Ein solches Blitzlichtgewitter hat Jaume Matas selbst in seinen besten Zeiten nicht erlebt. Gut und gerne 50 Fotografen, mehr als ein Dutzend Fernsehteams und unzählige Journalisten haben sich an diesem Januarmorgen versammelt. Im Gegensatz zu früheren Auftritten im Scheinwerferlicht hätte Jaume Matas auf diesen allerdings nur allzu gerne verzichtet: Seit Wochenbeginn muss sich der 57-Jährige in Palma vor Gericht verantworten.

Der ehemalige balearische Ministerpräsident soll dem Journalisten Antonio Alemany, der seine Reden schrieb, über dunkle Kanäle fast eine halbe Million Euro zukommen lassen haben. Die Anklage lautet auf Veruntreuung, Vetternwirtschaft und Amtsmissbrauch. Matas drohen achteinhalb Jahre Haft. Und dies ist nur der Anfang: Die Staatsanwaltschaft ermittelt in mehreren weiteren Fällen gegen den Ex-Politiker.

Der scheint von dieser Aussicht nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Als Letzter der sechs Angeklagten trifft Matas an diesem sonnigen Wintermorgen vor dem Gerichtsgebäude mitten in Palmas Altstadt ein. Lächelnd entsteigt er einer dunklen Limousine, die vereinzelten Rufe empörter Bürger, die sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt haben, scheint er nicht zu hören.

Zwei Dutzend Schaulustige sind gekommen, jemand hat Plakate gemalt. „Familien mit Kindern werden aus ihren Wohnungen geworfen und du machst dir mit dem gestohlenen Geld ein luxuriöses Leben", ist auf einem zu lesen. Knapper fällt die Botschaft eines jungen Mannes aus, der im Real-Madrid-Trainingsanzug erschienen ist und Matas inbrünstig hinterherruft: „Es gibt nicht genügend Brot für so viele Würstchen." („No hay pan pa' tanto chorizo") „Würstchen", „chorizo", das bedeutet in diesem Fall nichts anderes als Gauner oder Dieb.

Es ist noch gar nicht allzu lange her, da galt Jaume Matas als der große Macher auf Mallorca. In den Jahren 2003 bis 2007 sorgte er als Ministerpräsident der konservativen PP dafür, dass Palma eine U-Bahn bekam, ein schickes Velodrom, es wurden neue Autobahnen gebaut und Weltstars als Werbeträger verpflichtet, kein Plan schien zu kühn, als dass er nicht verwirklicht werden könnte, kein Vorhaben zu teuer, als dass es nicht finanzierbar wäre - und sei es auch auf Pump.

Nur das Operngebäude mitten in der Bucht von Palma, das sich auf Knopfdruck wie eine erblühende Knospe öffnen sollte, das konnte Matas nicht mehr bauen: Am 27. Mai 2007 verlor er überraschend die Regionalwahl auf den Balearen.

Als Matas jetzt auf der gepolsterten Anklagebank Platz nimmt, da hat er sich äußerlich kaum verändert. Nur die markante Zornesfalte, die sich schon immer senkrecht zwischen seinen Augen in die Höhe zieht, die ist deutlich tiefer geworden. Und er trägt in jedem Ohr ein Hörgerät. Als ihn der Staatsanwalt befragt, da zeigt Matas kaum eine Regung: Keine fahrigen Bewegungen, kein verräterisches Wippen mit den Beinen, die Stimme fest. Matas sagt nicht „ich", er sagt „el presidente". Matas spricht auch nicht in der Vergangenheit, Matas sagt: „Ich kann keine Ausschreibungen veranstalten."

Dass er sich nun öffentlich beschimpfen lassen muss und nicht als verdienter Ministerpräsident in die Geschichte eingegangen ist und weiter seiner Beratertätigkeit in Washington nachgehen kann, das liegt an den beiden Staatsanwälten Juan Carrau und Pedro Horrach. Wenn die beiden Männer wie immer gemeinsam am Gerichtsgebäude auftauchen, dann kommt es vor, dass die Schaulustigen spontan applaudieren.

Dann blicken die beiden meist etwas betreten vor sich auf den Boden und laufen noch etwas schneller, schließlich machen sie ja nur ihren Job. Und der besteht seit vier Jahren aus nichts anderem als der Jagd nach Mallorcas korruptesten Politikern. Seit sie im November 2009 die Stadtwohnung von Jaume Matas und dessen Frau durchsuchen ließen, ist auch dem Letzten klar, dass die Staatsanwaltschaft auch nicht vor großen Namen Halt macht.

Damals beförderten Carrau und Horrach so einiges ans Tageslicht, was Matas endgültig den Ruf einbrachte, sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert zu haben. Die Ausgaben des Ehepaars scheinen die offiziell deklarierten Einnahmen um ein Vielfaches übertroffen zu haben. Zum Symbol des Protzes wurden die Klobürsten aus dem Hause Matas, die 375 Euro pro Stück gekostet haben sollen.

Nun sitzt Staatsanwalt Horrach in schwarzer Robe nur wenige Meter von Matas entfernt, zwischen ihm und dem Hauptangeklagten liegt eisige Distanz. Matas sagt als Letzter aus, nachdem die fünf anderen Angeklagten an den ersten beiden Prozesstagen bereits 15 Stunden lang befragt wurden. Die Spannung ist jetzt zum Greifen in dem Gerichtssaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt ist. „Die anderen Angeklagten haben einen Pakt mit der Staatsanwaltschaft gemacht", sagt Matas. „Damit ich hier mit reingezogen werde in etwas, womit ich nichts zu tun habe."

Matas stellt sich als Opfer einer Kampagne dar, dessen Verdienste verkannt werden und der stets nur das Wohl der Balearen im Sinne hatte. Der Ministerpräsident ist zur unmöglichen Person geworden. Sämtlich Mitstreiter aus früheren Tagen haben sich von ihm losgesagt, seine Partei hat ihn fallen lassen, Getreue sind nur wenige geblieben. „Ich war einmal eng befreundet mit ihm", sagt ein alter Mann, der sich unter die Zuschauer gemischt hat und den Prozess gespannt verfolgt. „Ich hätte nie gedacht, dass er zu so etwas fähig wäre." Als Matas nur einen Meter an ihm vorübergeht, blickt der alte Mann zu Boden.

Die Tatsachen sprechen gegen Jaume Matas: Seit die PP 2007 überraschend die Macht verlor, sind Dutzende Skandale bekannt geworden, zeitweilig kam Woche für Woche ein neuer Fall von Geldverschwendung, Vetternwirtschaft und Korruption ans Tageslicht. Die U-Bahn lief beim ersten Herbstregen voller Wasser, die Autobahnen mussten schon nach wenigen Monaten neu gepflastert werden und der Architekt, der die Oper mitten im Meer hätte bauen sollen, kassierte eine Million Euro für seine nie realisierten Planungen.

Das Velodrom schließlich kostete statt der geplanten 48 am Ende 110 Millionen Euro und wurde damit zum Sinnbild der Verschwendung - und gab dem größten Korruptionsskandal in der Geschichte Mallorcas seinen Namen: „Palma Arena". In 26 Einzelfälle, die nun nach und nach vor Gericht verhandelt werden, ist der Skandal mittlerweile unterteilt. Selbst der Schwiegersohn des spanischen Königs, Iñaki Urdangarin wird sich im Rahmen dieses Megaskandals noch auf die Anklagebank setzen müssen.

Jaume Matas wirkt derweil ganz und gar entspannt. Als die Richterin die Verhandlung für diesen Tag beendet, verlässt er den Gerichtssaal lächelnd. Und doch, vollkommen unbeeindruckt ist er nicht: Als Einziger der Angeklagten verlässt er das Gerichtsgebäude nicht zu Fuß, sondern erst, als sein Chauffeur den Wagen direkt vor den Eingang gefahren hat. Den noch immer wartenden Fotografen entgeht er trotzdem nicht.

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