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Die Russen entdecken ihr Mallorca

Die Zahl der russischsprachigen Touristen und Residenten wächst

Vesti Mallorca belebt seit 2012 die Medienszene der Insel. | Foto: P. Lozano

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Wenn russische Reiseveranstalter auf Mallorca zu einer Präsentation einladen, kann man getrost davon ausgehen, dass die Spitzen der balearischen Politik in Mannschaftsstärke zum Händeschütteln antreten. Die Ferienregion buhlt um eine neue Klientel: die Russen. Spät, aber nicht zu spät haben die Tourismusverantwortlichen erkannt, dass der Quellmarkt im Osten dazu geeignet ist, das bisherige Gäste-Spektrum attraktiv zu erweitern.

Von einer Urlauber-Schwemme aus Russland ist Mallorca jedoch weit entfernt. In diesem Jahr werden rund 150.000 russische Gäste erwartet, verglichen mit vier Millionen Deutschen ein Klacks. Der Hype um die Russen ist vor allem durch die Zuwachsraten begründet, die heuer um die 50 Prozent liegen sollen – und natürlich durch die Kunde, dass die Russen viel Geld ausgeben.

Letzteres hat sich tatsächlich bestätigt, und die Geschäftswelt ist entzückt. Es hat schon seinen Grund, dass El Corte Inglés die mehrsprachige Beschilderung in seinen Filialen in Palma um kyrillische Lettern erweitert hat und immer mehr Insel-Restaurants ihre Speisekarten ins Russische übersetzen lassen.

Auch die Verlagsgruppe Serra, in der das Mallorca Magazin erscheint, hat schnell reagiert. Vor gut einem Jahr erschien erstmals „Vesti Mallorca", die erste russischsprachige Zeitung auf Mallorca. Die Redaktion ist MM angegliedert.

Die russischen Urlauber suchen in erster Linie Sonne und Strand – dieser Tourismus ist also extrem saisonabhängig –, sind aber gleichzeitig sehr unternehmungslustig. Museen werden abgeklappert, Rundreisen absolviert, Shopping-Ausflüge unternommen – es gibt ja so viel zu entdecken. Ein wenig erinnert das Verhalten an das der deutschen Gäste vor 30 oder 40 Jahren, als die noch in Scharen in Drachenhöhlen strömten und Kunstperlen erstanden.

Es sind keine Oligarchen, die den immer zahlreicher fliegenden Chartermaschinen aus Moskau oder Sankt Petersburg entsteigen. Und auch keine „Mafiosi", wie ein weit verbreitetes Vorurteil besagt. Es ist der neue (gehobene) Mittelstand Russlands, der sich zwei Mallorca-Wochen für 3000 Euro pro Person leisten kann (siehe auch Interview auf Seite 20).

Und vielleicht auch mehr. Mallorcas Makler machen bereits gute Geschäfte mit Russen. Anfangs hauptsächlich im hochpreisigen Segment, inzwischen sind aber auch „normale" Ferienwohnungen gefragt. Gerade hat der russische Discovery-Channel eine Doku über Hauskäufe auf Mallorca gedreht.

Und wie das bei Deutschen oder Briten der Fall war, ist zu erwarten, dass aus vielen russischen Urlaubern eines Tages auch Teilzeit- oder Vollzeit-Residenten werden. Die Kolonie wächst, wenn auch noch auf bescheidenem Niveau. Auf den Inseln sind etwas mehr als 5000 Residenten aus russischsprachigen Nationen gemeldet. Die Betonung liegt auf russischsprachig, denn längst haben sich auch Ukrainer, Georgier oder Weißrussen unter die Mallorca-Liebhaber gereiht.

So entsteht peu a peu eine neue Community, die auch ihre Gewohnheiten mitbringt. Russische Geschäfte werden eröffnet, Residentenvereine gegründet, und das Restaurant „Samovar" serviert original Blinis oder einen Bortsch. Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche hat in Palma Fuß gefasst.

Die meisten der russischsprachigen Residenten sind keine Müßiggänger, sondern junge Leute, die die neuen Jobmöglichkeiten ausloten: Überall werden derzeit Übersetzer, Kellner, Rechtsanwälte oder Verkäufer mit Russischkenntnissen gesucht.

Wie geht es weiter mit dem russischen Tourismus? Die Experten rechnen auch für die kommenden Jahre mit hohen Zuwachsraten, obwohl die Balearen-Regierung kaum Geld in den neuen Quellmarkt investiert. Dass Werbung bzw. Aufklärung notwendig ist, zeigte sich am „Vesti Mallorca"-Stand auf der Tourismusmesse MITT in Moskau: Selbst die Fachbesucher wussten über Mallorca kaum mehr, als dass es irgendwo im Mittelmeer liegt. Wie sollen sie da ihren Kunden Mallorca als Urlaubsziel schmackhaft machen? Und das womöglich noch außerhalb der Hochsaison.

Dass es anders geht, zeigte in Moskau einmal mehr das bevorzugte Spanien-Ziel der Russen, Barcelona. Der Stand von Katalonien war so groß wie der aller anderen spanischen Regionen zusammen.

Der Residenz-Tourismus hat mit einer zusätzlichen Hürde zu kämpfen: den strengen Visa-Bestimmungen. Noch gibt es nichts Neues zu den vor Monaten bekannt gewordenen Überlegungen, Immobilien-Käufern aus Russland die Residencia anzubieten.

Während die Mallorquiner hoffen, möglichst bald möglichst viele spendable Russen begrüßen zu können, sind in deutschen Mallorca-Kreisen häufiger skeptische Stimmen zu hören. Beispiele für Reibereien wurden bisher aber nicht bekannt. Das mag auch an der noch geringen Zahl der russischen Gäste liegen. Der Manager eines deutschen Reiseveranstalters sagte gegenüber MM, dass man in der Türkei die Erfahrung gemacht habe, dass die beiden Urlauber-gruppen wenig kompatibel seien. Mehr als 20 Prozent Russen im Hotel mute man seinen deutschen Gästen daher nicht zu.

Aber auf Mallorca hat man ja Erfahrung damit: Deutsche und britische Urlauber werden schon seit Jahrzehnten einvernehmlich getrennt – hier Magaluf, da Arenal.

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