Folgen Sie uns F Y T I R

Depression im Paradies

Der Küstenort Ses Covetes ist das Zugangstor zum Strand von Es Trenc. Sommers wie winters verbringen dort Insulaner und Urlauber gern einen entspannten Tag. | Patricia Lozano

| Ses Covetes, Mallorca |

Wer im Küstenort Ses Covetes, dem Tor zum beliebten Strand Es Trenc, einen Parkplatz ergattern will, muss früh aufstehen. Denn in der Mittagszeit finden Badegäste nur noch schwerlich einen Stellplatz für ihr Gefährt, oder sie müssen einen weiten Anmarsch in Kauf nehmen. Das Parkplatzproblem ist das Haupt-Gesprächsthema im Dorf zwischen Dünen und Meer.

Auch in den Restaurants und Bars des Ortes erkundigen sich Touristen nach Parkplätzen. Die Wirte können nur mit den Schultern zucken. Nichts mehr frei. "Wir haben uns gewundert, dass der große Parkplatz hier im Ort geschlossen ist", erzählt Jürgen von Hebel aus Münster. Er und seine Freunde reisen seit zehn Jahren nach Mallorca, besuchen gern den Ort im Inselsüden – und natürlich Es Trenc mit seinem feinen, hellen Sand und dem klaren Wasser. Der Privatparkplatz wurde im Herbst 2014 geschlossen, weil er illegal im Naturschutzgebiet betrieben wurde. 1000 Autos hatten dort Platz gefunden, mittlerweile gibt es nur noch 220 Stellplätze im ganzen Dorf. Bereits im vergangenen Sommer war das Verkehrschaos ausgebrochen. Parkplätze gibt es fast nur noch entlang der Zufahrtsstraße. Der Linienbus fährt nicht mehr, weil er nicht zwischen den geparkten Autos durchpasst. "Im August mussten wir sonntags mehrmals die Straße sperren, weil zu viele Autos in den Ort drängten", erzählt ein Hilfspolizist. So könnte es auch heuer wieder kommen.

Ses Covetes ("Die kleinen Höhlen") trägt seinen Namen nach den Höhlen im Umkreis, die in talaiotischer Zeit (800 bis 550 vor Christus) für Bestattungen genutzt wurden. Lange Zeit wurde Sandstein aus den Küstenfelsen gehauen, um damit in der Inselhauptstadt Mauern zu bauen. Die Stellen, aus denen die quadratischen Brocken geschnitten wurden, sind heute noch an der Küste zu sehen.

Zwölf Personen lebten im vergangenen Jahr dauerhaft in dem Küstenort, mittlerweile ist eine Familie mit zwei Kindern weggezogen. Hinzukommen Einheimische, die ihre Ferienwohnungen am Wochenende und in den Sommermonaten beziehen, sowie 8000 Badegäste, die in der warmen Jahreszeit jeden Tag an den Strand pilgern.

Die Häuser sind meist zweistöckig, die meisten haben unverbaubaren Meerblick. Besonders seit die Bauruinen einer illegalen Apartmentsiedlung 2013 abgerissen wurden, hat der Ort wieder an Ursprünglichkeit gewonnen. Die Natur erobert sich die Dünen zurück, wo die Betonklötze standen, die bei Google Streetview noch zu sehen sind.

Ses Covetes hat eine kleine Kapelle, die zwischen den Strandhäusern verschwindet. Der Gottesdienst wird im benachbarten Sa Ràpita besucht. Es gibt einen familiengeführten Supermarkt, vier Restaurants, eine Bar und zwei nahe gelegene Chiringuitos – einer davon hat sogar das ganze Jahr über geöffnet - und drei Strandabschnitte, die besucht werden können.

Beim Blick aufs Meer beginnt linker Hand der weiße Sandstrand von Es Trenc, rechter Hand die 200 Meter lange Playa von Ses Covetes und zwischendrin, umgeben von Felsen, der nur 50 Meter breite Abschnitt Es Freu, der kaum besucht wird und den Ferienhausbesitzer wie ihren Privatstrand nutzen.

"Die Häuser hier haben alle Garagen, sonst wird man im Sommer irre", erzählt Jutta Brieden, die zehn Monate des Jahres in Ses Covetes lebt. Sie genießt es, an einer der schönsten Ecken der Welt zu wohnen, wie sie sagt. "Kein Ort Mallorcas ist so extrem wie dieser", erzählt sie. "Im Sommer platzt er aus allen Nähten, und im Winter freut man sich, wenn man mal einen Menschen sieht." "Doch", fügt sie an, "die Stimmung war schlecht letztes Jahr."

Die Balearen-Regierung will das Gebiet rund um Es Trenc und den Ort zum Naturpark erklären, den "Schutzfaktor" erhöhen. Dass mehr Parkplätze her müssen, ist auch den Regierenden klar, denn Es Trenc gilt als Karibikstrand Mallorcas, ist ein beliebter Anlaufpunkt für Badegäste. Unklar ist, wo ein weiterer Parkplatz entstehen soll, denn dafür müssten Grundstücke enteignet werden. Die Gemeinde Campos hat einen Shuttlebus in den Küstenort eingesetzt.

"Es hat sich eine Depression im Paradies breit gemacht", erzählt Bikini-Händlerin Maria Sickmüller. Sie sowie andere Geschäftsleute und Gastronomen klagen über Umsatzeinbußen. Wenn Badegäste keinen Parkplatz finden, fahren sie weiter.

Von 30 Prozent weniger Einnahmen im vergangenen Sommer sprechen die Betreiber des Restaurants Ran de Mar, das es seit über 30 Jahren in dem Küstenort gibt. Drei Schwestern und ihre Männer führen das Lokal, das bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt ist. "Es gibt nur eine Lösung: Der Privatparkplatz muss wieder geöffnet werden", sagen sie. Im Ort sucht man unterdessen nach eigenen Lösungen, eine Privatperson öffnet ihr Grundstück als Parkplatz für die Besucher. Das tat sie bereits im vergangenen Sommer - und bekam dafür eine deftige Strafe aufgebrummt.

Das kostet das Parken

In Ses Covetes gibt es derzeit 220 kostenpflichtige Stellplätze, die blau markiert sind. Am Parkautomaten lösen Besucher zwischen dem 1. Mai und dem 30. September ein Ticket (auch sonntags), die Stunde kostet 1 Euro, das Tagesticket ist für 5 Euro zu haben. Zwei Hilfspolizisten patrouillieren und stellen Knöllchen aus. Wer die Parkzeit um eine Stunde überschreitet, kann seinenStrafzettel am Automat für 3 Euro auslösen. Danach werden 60 Euro fällig. Hinter den Salinen von Colònia Sant Jordi gibt es zudem einen Parkplatz, der 6 Euro am Tag kostet.

(aus MM 26/2016)

Zum Thema
Meistgelesen