Passt auf eure Füße auf", mahnt der Imker Tomeu Gual. Er hat zur Besichtigung seiner Bienenvölker eingeladen, die bei Santa Margalida elf Hektar Melonenfelder bestäuben. Sandalen anzuziehen war vielleicht nicht die beste Idee. Zum Glück haben die fleißigen Summer andere Interessen. Eifrig schwirren sie zwischen den Melonenpflanzen und ihren Nistkästen hin und her. 150.000 sind es insgesamt. Jede steuert 10.000 Blüten pro Tag an. Vier bis sechs Wochen bleiben sie hier, während der gesamten Blütezeit der Melonen. Das erhöhe den Ertrag an Früchten um 30 Prozent, meint Tomeu Gual.
Neu ist der gezielte Einsatz von Honigbienen in der Landwirtschaft nicht. "Aber die Inselbauern sehen den Nutzen der Apis mellifera immer mehr", erzählt der Vorsitzende des balearischen Imkervereins, Bernat Esteve. Besonders nötig haben die Mandelbäume zusätzliche Hilfe. Ihre natürliche Bestäubung mit Wildbienen und anderen Insekten reicht nicht mehr aus. Sie sind kaum noch rentabel. Bei neuen Mandelbaumplantagen fördert die Balearen-Regierung die "künstliche" Bestäubung deshalb.
Doch da gebe es ein Problem, meint Andreu Joan vom balearischen Agraramt. "Wir haben auf Mallorca ein dramatisches Defizit an Honigbienen." Um ein Mandelbaumfeld von einem Hektar Fläche ausreichend zu bestäuben, seien sechs bis acht Bienenkolonien nötig. Insgesamt würden auf Mallorca gut 24.000 Hektar Fläche Mandelbäume angepflanzt. "Also bräuchten wir 171.000 Bienenvölker. Registriert sind aber nur 10.600." Und die haben es nicht leicht zu überleben.
Katastrophal wie etwa in den USA ist die Lage der Bienen auf Mallorca nicht. Die Sterberate liege bei zehn bis 15 Prozent, meint Bernet Esteves von der Imkervereinigung, aber die Probleme nähmen zu. Krankheiten plagen die Apis mellifera. Hauptfeind ist die Varroa-Milbe. Sie saugt ihr Blut, schwächt sie und überträgt gefährliche Krankheitserreger. Insektizide setzen ihr zu. Sogenannte Neonikotinoide schädigen ihr Nervensystem und den Orientierungssinn. "Die Biene findet nicht mehr zum Nistplatz zurück."
Auch der Klimawandel bringt die Bienen aus dem Gleichgewicht. "Wärmere Winter lassen sie vorzeitig schlüpfen, die Trockenheit reduziert das Nahrungsangebot und sie hungern." Invasoren greifen an. Die Argentinische Ameise zum Beispiel frisst Honig und Larven auf.
Die größte Gefahr lauert aber von der Asiatischen Riesenhornisse Vespa velutina. 2015 wurde sie erstmalig auf Mallorca gesichtet. Als Fleischfresser jagt sie Insekten und dabei sehr gerne Honigbienen. "In Nordspanien verbreitet sich die Riesenhornisse wie Pulver aus. Dort haben sie letztes Jahr 2000 Nester entdeckt", weiß Andreu Joan vom Agraramt. Auf Mallorca versuche man sie zu kontrollieren. Sieben Nester seien letztes Jahr gefunden worden, dieses Jahr noch keins. Aber das sei kein Grund zur Entwarnung. "Wir müssen auf der Hut sein, denn ohne Bienen gibt es keine Lebensmittel."
Wissenschaftler kritisieren die einseitige Sorge um die Honigbiene. "Sie ist ein guter und wichtiger Bestäuber, aber nicht der einzige, und alleine reicht sie nicht aus", sagen die Biologinnen Anna Traveset und Amparo Lázaro vom Forschungsinstitut Imedea in Esporles.
Auf Mallorca lebten 175 verschiedene Sorten von Wildbienen. Für viele Anbaukulturen stellten sie effizientere Bestäuber dar. Außerdem sei es gerade das Zusammenspiel von Wildbienen und Honigbienen, das die Produktion steigere. Sie ergänzten sich.
"Um qualitativ gute und ausreichende Erträge zu haben, müssen wir die Vielfalt und Anzahl der wild lebenden Bestäuber-insekten steigern", so die Biologinnen. Dazu gehörten neben Wildbienen auch Schmetterlinge, Käfer und Fliegen. Sie seien den gleichen Gefahren wie die Apis mellifera ausgesetzt. Ihr Hauptproblem sei aber die Zerstörung ihres Lebensraums.
Das zeige sich zum Beispiel in Son Bosc, das an den Naturpark Albufera grenzt. Dort sollte ein Golfplatz entstehen. "Das Vorhaben ist inzwischen gestrichen, aber die Bauarbeiten, die bereits stattfanden, haben die Anzahl der Bestäuberinsekten dort halbiert. Und wenn wir Insekten verlieren, verlieren wir Pflanzen. Es ist eine Kettenreaktion." Auf der Insel sei das ökologische Gleichgewicht besonders fragil.
Um die Zahl der Wildbienen auf Mallorca zu erhöhen, stellen die Biologinnen künstliche Nester auf, unter anderem auf Mandelbaumfeldern. Jeder Einzelne könne etwas tun, meinen sie. "Blumen und Gewürzkräuter im Garten zu pflanzen, hilft zum Beispiel." Eine weitere Möglichkeit sei der Bau von Insektenhotels. Damit sind Nisthilfen für Nützlinge gemeint (siehe Kasten).
Auch den Honigbienen kann man helfen, ohne selber Imker zu werden. Apicultura Mallorca heißt die Organisation, die seit 2014 auf der ganzen Insel über die Bedeutung von Honigbienen und anderen Bestäuberinsekten aufklärt. Man kann Pate eines Bienenvolks werden und erhält im Gegenzug den Honig, den es produziert. "Unter unseren Paten sind fünf Deutsche", erzählt Mayoli Alonso von Apicultura Mallorca. Eine Deutsche sponsere sogar elf Bienenstöcke, denen sie die Namen ihrer Enkel gegeben habe ( apiculturamallorca.com ).
(aus MM 24/2017)