Auch gut eine Woche, nachdem spanische Medien erstmals den mutmaßlichen Masken-Skandal aufgegriffen hatten, herrscht noch immer viel Unklarheit. Als erwiesen darf man gegenwärtig betrachten, dass die balearische Landesregierung im April 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie, 1,5 Millionen Masken bestellte und für diese 3,7 Millionen Euro bezahlte. Als sicher gilt auch, dass der Deal über ein Unternehmen abgewickelt wurde, dem ein enger Berater des damaligen spanischen Verkehrsministers José Luis Ábalos (Sozialdemokraten, PSOE) nahesteht. Auf Mallorca und den Nachbarinseln regierte zu dieser Zeit das Mitte-Linksbündnis mit Francina Armengol (PSOE) als Ministerpräsidentin.
Mit der Lieferung, die wenige Wochen später auf den Balearen eintraf, nahm das Unheil dann seinen Lauf. Einer Meldung der MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" zufolge wiesen Experten des balearischen Gesundheitsministeriums am 8. Juni darauf hin, dass die gelieferten Masken nicht der vertraglich vereinbarten Qualität entsprachen. Geplant war ursprünglich, die Masken unter dem Gesundheitspersonal zu verteilen, von diesem Vorhaben nahm die Behörde aufgrund der mangelhaften Qualität der Masken dann Abstand. Einstimmigen Medienberichten zufolge ließ das Landesministerium daraufhin die 1,5 Millionen Masken erst einmal in einem Lager verschwinden.
Dann passierte offenbar lange Zeit nichts. Weder schickte das Gesundheitsministerium die Billigmasken zurück, noch stellte sie Schadensersatzansprüche.
Erst im Frühjahr 2023, so "Ultima Hora", schickte sich die balearische Gesundheitsbehörde Ib-Salut an, dem Verkäufer der Masken formell eine Schadensersatzforderung zukommen zu lassen. Auf diesem Wege will die Landesregierung 2,6 Millionen Euro zurückerstattet bekommen. Bislang ist freilich nichts von dem Geld auf Mallorca angekommen, und es ist fraglich, ob die 2,6 Millionen jemals ihren Weg zurück auf die Insel finden. Manche Stimmen verweisen darauf, dass die gesetzliche Frist für die Beilegung des Konflikts längst verstrichen sei. Andere wiederum, etwa der Sprecher der nun von konservativer Hand regierten Landesregierung, Antoni Costa (Volkspartei, PP), sehen den Zeitrahmen noch längst nicht ausgeschöpft.
Derweil lassen Vertreter beider Parteien erwartungsgemäß keine Gelegenheit aus, dem jeweiligen politischen Gegner die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die ehemalige balearische Regierungschefin Armengol, in deren Amtszeit der Maskendeal fiel, ist sich keinerlei Schuld bewusst. Aus ihrem Umfeld hieß es am Donnerstag, die PSOE-Politikerin, die mittlerweile das Amt der Parlamentspräsidentin in Madrid bekleidet, habe "zu keiner Zeit" mit dem damaligen Verkehrsminister Ábalos über den Kauf der Masken gesprochen. Auch die späte Schadensersatzforderung sei niemals Gesprächsthema der beiden gewesen.
Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt offenbar der zuständige Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid, der mit der Aufarbeitung der Angelegenheit beauftragt worden ist. Nach Darstellung von "Ultima Hora" stuft dieser Ex-Verkehrsminister Ábalos als "Mittelsmann" bei den Deals seines Vertrauten Koldo García ein. Dazu muss man wissen, dass es längst nicht nur um den Maskendeal mit den Balearen geht. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht vielmehr das Unternehmen Soluciones de Gestión y Apoyo a Empresas S.L. Im Zuge der Corona-Pandemie machte die Firma laut Medienberichten innerhalb kürzester Zeit 54 Millionen Euro Umsatz.
Im Sortiment soll das Unternehmen auch teils mangelhaftes Material gehabt haben, das an öffentliche Verwaltungen, etwa die Balearen, ausgeliefert worden sein. Zugang zu den entscheidenden Stellen in den Ministerien soll sich das Unternehmen über García verschafft haben. Dem ehemaligen Türsteher und Vertrauten Ábalos' werfen die Ermittlungsbehörden vor, bei den Deals in die eigene Tasche abgezweigt zu haben. García und 18 weitere Personen, die sich ebenfalls am Geschäft mit damals händeringend nachgefragtem Gesundheitsmaterial persönlich bereichert haben sollen, wurden vor wenigen Tagen in Alicante festgenommen.