Im neu angesetzten Prozess um den tödlichen Schuss des Rentners Pau R. auf einen mutmaßlichen Einbrecher in seinem Haus in Porreres haben heute vor dem Landgericht Palma de Mallorca die Zeugenvernehmungen begonnen. Es ist der zweite Anlauf, die Umstände, die im Februar 2018 zum Tod des damals 25 Jahre alten Mauricio E. führten, gerichtlich aufzuklären.
In einem ersten Prozess im vergangenen Sommer war der mittlerweile 84-jährige Pau R. freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte damals Formfehler entdeckt, weshalb sie auf eine Neuauflage des Prozesses gegen Pau R. bestand. Im Zentrum des Verfahrens steht die Frage, ob das Einbruchsopfer in Notwehr handelte oder ob der Tatbestand des Totschlags vorliegt.
Wie aus einer Meldung der MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" hervorgeht, räumte Fredy E., der mit seinem Zwillingsbruder Mauricio E. den Coup ausführen sollte, am Freitag vor Gericht ein, gemeinsam mit seinem Bruder in das Haus von Pau R. eingedrungen zu sein. Den Auftrag zu dem Einbruch behauptet er, von den beiden Mallorquinern José Antonio S.L. und Marcos R. erhalten zu haben. Diese hatten der Zeitung zufolge Kenntnis darüber, dass Pau R. wenige Tage zuvor den Verkauf seines Geldspielautomatengeschäfts erfolgreich abgewickelt hatte.
Laut Aussage von Pau R. stießen die beiden Einbrecher zunächst auf 15.000 Euro in bar. "Sie wollten aber offenbar mehr, deshalb wurden sie zunehmend nervös", sagte der 84-Jährige am Freitag aus. Pau R. nutzte einen Moment der Konfusion, um sich eine alte Schrotflinte zu greifen. Diese richtete er nach Darstellung von Fredy E. mit den Worten "Ich bringe euch um!" auf ihn und dessen Bruder und drückte ab. Der Schuss traf Mauricio E. tödlich.
Nach Sichtweise von Pau R. verliefen die letzten Momente im Leben des Einbrechers Mauricio E. anders. Zunächst will er um das Leben seiner Frau, die sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls im Haus befand, besorgt gewesen sein. Und um sein eigenes, "denn sie (Fredy und Mauricio E.) wurden im Verlauf des Einbruchs immer gewalttätiger." Zudem sei er noch von einem Einbruch, der sechs Wochen zuvor stattgefunden hatte, traumatisiert gewesen, sagte Pau R. vor Gericht. An die Worte "Ich bringe euch um!", die er vor dem Abdrücken ausgesprochen haben soll, konnte er sich nicht erinnern.
Dass er es war, der am besagten Morgen den Finger am Abzug hatte, stritt Pau R. nie ab, auch im ersten Prozess im vergangenen Sommer nicht. Am Freitag verwies er wiederholt auf sein Recht auf Selbstverteidigung. Er habe Schläge erlitten und sich irgendwann entschlossen zu verteidigen. "Ich dachte, die bringen uns um, ich musste handeln", so Pau R. Reue könne er keine zeigen, denn letztlich sei es um die Frage "entweder die oder ich" gegangen.
Fredy E. äußerte vor Gericht Verständnis für das Handeln Pau R.s. Zwar sei sein Leben durch den Tod seines Bruders "zerstört," einen Vorwurf könne er Pau R. jedoch nicht machen. "Dieser Mann ist kein Mörder, ich kann ihm keinen Vorwurf machen", sagte Fredy E., der vor Jahren mit seinem Bruder Mauricio aus Kolumbien eingewandert war. "Ich hege keinerlei Groll gegenüber diesem Mann."
Das Justizdrama hatte im vergangenen Sommer für großes mediales Aufsehen auf Mallorca gesorgt. Der Gemeinderat von Porreres hatte sich mit einer Petition dafür eingesetzt, dass Pau R. auf jeden Fall eine Haftstrafe erspart bleiben sollte. Auch in den sozialen Medien wurde der damals noch 83-Jährige mit verschiedenen Kampagnen unterstützt.