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Deutsche Anwohner auf Mallorca völlig verzweifelt: 22 Jahre Behördenversagen in der Urbanisation Costa de Canyamel

Nachbarn zahlen mittlerweile selbst für Asphalt, um die schlimmsten Schlaglöcher zu stopfen – während das Rathaus auf Notlösungen verweist

Mit Schlaglöcher übersäte Zufahrtstraße zu der Wohnsiedlung im Nordosten von Mallorca | Foto: Archiv UH

| | Mallorca |

Costa Canyamel klingt nach Mittelmeer-Idylle, Sonne und Meeresrauschen. Tatsächlich erinnert die Urbanisation im Osten von Mallorca eher an ein vergessenes Bauprojekt: seit 22 Jahren offiziell nicht abgenommen, ohne Kanalisation, ohne Bürgersteige, ohne verlässliche Beleuchtung. Wer hier wohnt – nicht wenige davon deutsche Residenten –, stolpert zwischen Schlaglöchern und Baumruinen nach Hause. Und während Radfahrer auf der nahe gelegenen Landstraße von der Gemeinde Capdepera für 1,8 Millionen Euro einen neuen Radweg spendiert bekommen, tappen die Anwohner weiter durch die Finsternis.

Viele fragen sich: Wie konnte es so weit kommen? Seit 2003 steht die Abnahme der Urbanisation auf der Agenda. Seitdem werden Sitzungen abgehalten, Gutachten erstellt, Notlösungen angekündigt – nur der Alltag der Bewohner bleibt derselbe.

Die Tücken des Alltags

"Die Situation ist sehr besorgniserregend", sagt Francisco José Bordonado, einer von denen, die sich seit Jahren im Stich gelassen fühlen. Was nach mallorquinischer Zurückhaltung klingt, ist in Wahrheit Verzweiflung. Denn Treppen, die im Brandfall als Fluchtwege dienen sollen, sind überwuchert oder gleich ganz blockiert – Brandgefahr inklusive. Das Kanalisationsprojekt liegt brach, die Beschilderung verrottet. Und wenn man nachts durch die Urbanisation fährt, erahnt man Straßenlaternen nur noch als Dekoration.

Eva Jung-Gohlke, deutsche Präsidentin des Anwohnervereins, fasste es unlängst in einem MM-Bericht nüchtern zusammen: "Wir fordern die Gemeinde seit Jahren auf, wenigstens die schlimmsten Gefahrenstellen zu reparieren, aber es erfolgt keine Reaktion." Für die Bewohner heißt das: improvisieren, Umwege nehmen, Gefahrenstellen ignorieren – oder selbst zur Tat schreiten.

Eigeninitiative statt Amtshilfe

Im Frühjahr 2024 zogen die Anwohner die Reißleine – oder besser gesagt: den Asphaltkocher. Sie beauftragten eine örtliche Baufirma und bezahlten selbst für 91 Tonnen Teer, um wenigstens die schlimmsten Löcher zu stopfen. Kosten: ein mittlerer fünfstelliger Betrag. Als Dank stellte die Gemeinde auch noch eine Rechnung für die Genehmigung, öffentliche Straßen überhaupt reparieren zu dürfen. Weitere Maßnahmen, so der Anwalt der Anwohner, seien verboten – schließlich handelt es sich um eine Urbanisation ohne offiziellen Status.

Die Absurdität hat Methode: Wer etwas repariert, handelt illegal; wer nichts tut, lebt gefährlich. Für viele in Costa Canyamel ist das längst ein absurdes Nullsummenspiel geworden. "Manchmal frage ich mich, ob wir hier in einem rechtsfreien Raum wohnen", sagt ein Nachbar lakonisch.

Die Antwort der Politik

Auf Nachfrage erklärt die zuständige Gemeinderätin Núria Garcia i Caballeria, dass in Costa Canyamel "wesentliche Dienstleistungen wie Bürgersteige, Straßenbeleuchtung, Trinkwasserversorgung und vor allem die Kanalisation fehlen". Solange das so sei, könne man die Grundstücke nicht als Baugrundstücke anerkennen. Dass dort trotzdem seit Jahren Häuser stehen und Familien leben – ein Detail.

Die Abnahme der Urbanisation steht seit 2003 auf der Agenda, also seit 22 Jahren. Inzwischen arbeiten bereits drei Generationen von Lokalpolitikern daran, eine Lösung "zu finden". Derweil rumpeln die Bewohner weiter über provisorische Straßen und hoffen, dass der nächste Sturm nicht noch mehr Bäume umlegt.

Eine "Notfalllösung" sei in Arbeit, heißt es aus dem Rathaus von Capdepera. Wie diese aussieht, bleibt unklar. Vielleicht ein Schild mit der Aufschrift "Betreten auf eigene Gefahr"? Für die Anwohner klingt es inzwischen wie blanker Hohn. Sie wollen keine Durchhalteparolen, sondern funktionierende Fluchtwege, Straßen ohne Krater und Laternen, die mehr tun als dekorativ herumzustehen.

Costa Canyamel ist damit ein Paradebeispiel für die mallorquinische Mischung aus Bürokratie, Ignoranz und mediterraner Langsamkeit. Der Ort bleibt ein Wohnsiedlungs-Limbo: zu offiziell, um sich selbst helfen zu dürfen, zu inoffiziell, um Hilfe von der Gemeinde zu bekommen.

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