Mallorca Magazin:Sie sind erst seit Oktober dieses Jahres frisch- gebackene Pfarrerin, und nun findet der Berufsstart im Ausland statt. Wie kam es dazu?
Olivia Scheib:Es gibt für uns die Möglichkeit, nach dem Vikariat – der praktischen Ausbildung des Theologiestudiums – für ein Jahr in einer Auslandsgemeinde der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) zu arbeiten. Ich war sofort begeistert von der Idee und nach einigem Stöbern durch zahlreiche Orte habe ich mich für Mallorca entschieden.
MM:Was war ausschlaggebend für diese Wahl?
Scheib:Hier hat einfach alles gepasst! Die Nähe zu Deutschland, denn ich bin ein ausgesprochener Familienmensch, und möchte meine Eltern und meinen Bruder mit seiner kleinen Familie möglichst oft sehen. Dann die Sonne, das Licht, und das Meer natürlich. Die Sprache ist auch nicht so fremd. Vor allem aber hat mich das herzliche, sympathische Pfarrerehepaar überzeugt. Schon bei der ersten Videokonferenz mit Martje und Holmfried („Homi”) Mechels waren die Beiden mir so sympathisch, dass ich gar nicht weiter überlegen musste. Auch wenn sie mir mit vielen Trauungen „gedroht” haben (lacht) , aber genau das liebe ich, die Nähe zu den Menschen.
MM:Sie stammen aus dem kleinen Ort Wiebelskirchen im Saarland, wurden dort 1996 geboren und verbrachten in der Region ihre gesamte Schulzeit. War Ihnen früh klar, dass Sie mal Pfarrerin werden wollten?
Scheib:Nein, gar nicht, zum Theologiestudium kam ich erst über mehrere Umwege. Ich stamme zwar aus einer Familie, in der der Glaube immer eine große Rolle gespielt hat. Meine Mutter hat auch Theologie studiert und arbeitet heute als Diakonin. Aber mich zog es – nach einem kurzen Abstecher in die Kulturwissenschaft – dann zu einem Lehramtsstudium für die Grundschule in den Fächern Deutsch und Religion. Ich hatte kurz nach der Schule ein Praktikum in einem Kindergarten absolviert, und wusste eigentlich nur, dass ich gerne mit Menschen arbeite und mich sozial engagieren wollte.
MM:Sie waren nach dem Abitur ja auch erst 18 Jahre alt …
Scheib:Ja genau, ich war die G8-Generation, in der man acht statt neun Jahre auf dem Gymnasium ist. Jedenfalls war das Unterrichten auch nicht so mein Ding, aber das Fach Religion hat mich fasziniert, und so kam ich auf die Idee, Theologie zu studieren.
MM:Sie haben dann in Mainz und in Bonn studiert. Fiel Ihnen das Studium leicht?
Scheib:Es war von Anfang an interessant, aber auch ganz schön zeitaufwändig, weil ich alle drei alten Sprachen (Latein, Griechisch, Hebräisch) noch zusätzlich belegen musste. Zum Glück hatte ich gute Studienberater, die mir bei der Planung sehr geholfen haben.
MM:Schrecken die sinkenden Mitgliederzahlen in der Kirche in Deutschland nicht eher von so einer Berufswahl ab?
Scheib:Nein, ganz im Gegenteil, mich motiviert das eher. Die Gemeinden in Deutschland sind sich dieser Problematik ja sehr wohl bewusst, und es wird flächendeckend an der Frage gearbeitet, wie man Kirche in Zukunft attraktiver gestalten kann. Warum treten die Menschen aus der Kirche aus? Es ist ein Ort, an dem alle willkommen sind, ein offener, und gleichzeitig geschützter Raum. Das müssen wir den Menschen vielleicht wieder näherbringen. Meine praktische Zeit während des Vikariats hat mich toll auf diese Aufgabe vorbereitet. Dabei hatte ich das Glück, in zwei ganz unterschiedlichen Gemeinden zu arbeiten. Die eine war ländlich und durch ältere Mitglieder eher traditionell geprägt. Die andere Gemeinde lag in einem sozial schwierigeren Teil in der Stadt, in dem viel diakonische Arbeit und Jugendarbeit notwendig war.
MM:Was hat Ihnen während des Studiums besonders gefallen?
Scheib:Mein Lieblingsfach war die praktische Theologie, also der Teil, der sehr nah an den Menschen ist. Taufen, Hochzeiten, Seelsorge, der Kontakt mit Senioren. Ich durfte schon die Seniorenresidenz Es Castellot in Santa Ponça besuchen, und es hat meinen Eindruck von einer sehr engagierten, lebendigen Gemeinde hier auf Mallorca bestätigt. Ich freue mich deshalb besonders darauf, noch mehr Gemeinde-Glieder kennenzulernen, und gemeinsam mit ihnen in diesem Jahr auch neue Erlebnisse zu schaffen, vielleicht neue Ideen einzubringen. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Menschen zu erreichen, über Aktivitäten zum Beispiel, die Kirche und den Alltag der Menschen verbindet.
MM:Woran denken Sie da im Besonderen?
Scheib:Zum Beispiel an spezielle Yogakurse, eines meiner Leidenschaften, in denen man körperliche und spirituelle Übungen verbindet. Das Angebot außerhalb der Gottesdienste ist ja hier ohnehin schon sehr groß, es gibt das Männerkochen, Frauenfrühstück, Wandergruppen oder Gesprächskreise, Reisen und Gemeindefeste, mal sehen, was ich noch dazu beitragen kann. Ich backe sehr gerne, liebe es zu tanzen, und das Meer zieht mich immer an.
MM:Sie werden das Pfarrerehepaar und den Winterpfarrer Joachim Zirkler auch bei den Predigten unterstützen …
Scheib:Ja natürlich, meine ersten eigenen Predigten werde ich am 1. Advent halten, also am 30. November, erst in Cala Rajada und dann nachmittags in Peguera. Vorgestellt wurde ich von Martje und Homi ja kürzlich schon, und ich freue mich wirklich sehr darauf, auch selber die Gottesdienste zu gestalten. Und ich hoffe, dass ich mich auch bei der Konfirmandenarbeit einbringen kann. Insgesamt bin ich sicher, tolle Erfahrungen in praktischer Gemeindearbeit mit nach Hause nehmen zu können.
MM:Sie strahlen immer so, wenn Sie reden, man kann förmlich sehen, wie Sie sich auf die Aufgabe hier freuen.
Scheib:(lacht erneut) Vielleicht habe ich mir deshalb für meine Ordination den Spruch Salomos ausgesucht „Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Gesicht”. Ich glaube, ich bin ein glücklicher Mensch, und hoffe, dass ich davon etwas weitergeben kann mit meiner Arbeit.
Das Interview führte Anja Marks