EU-Austritt Großbritanniens, ja oder nein? Die schottische Mallorca-Residentin und ehemalige Gemeinderätin Calviàs, Kate Mentink, ist jedenfalls ganz klar für einen Verbleib. Sie ist eine von rund 14.000 britischen Bewohnern aus Mallorca. Viele davon nehmen an dem Referendum teil, das am Donnerstag, 23. Juni, stattfindet.
Auch in den spanischen Inselmedien wurde das Thema in den vergangenen Tagen heiß diskutiert. "In or out", titelte die Tageszeitung "Ultima Hora" in ihrer Sonntagsausgabe. Klare Tendenz der Inselmedien: Liebe Briten, geht nicht!
„Wir wissen nicht, wie es ausgeht”, sagt die für Engel & Völkers arbeitende PR-Managerin und Inselresidentin Dominique Carroll im MM-Gespräch in der vergangenen Ausgabe (MM 25/2016). Auch eine Anfang Juni aus London auf die Insel angereiste Delegation von Journalisten habe auf diese Frage keine klare Antwort gewusst. Anders als auf dem spanischen Festland, wo laut Medienberichten kurz vor der Volksabstimmung die Immobilientransaktionen mit britischer Beteiligung zum Erliegen gekommen sein sollen, sei zumindest im Südwesten Mallorcas bisher keine Beeinträchtigung festzustellen.
Dass das im Ernstfall so bleiben würde, bezweifeln Ökonomen. Auf Mallorca blicken Hoteliers, Bauern und Handelsunternehmer mit großer Sorge nach England. Ein Ausscheiden der Briten aus der EU könnte die britische Währung gegenüber dem Euro um zwölf bis 20 Prozent schwächen, heißt es. Dadurch würde sich Mallorca als Reiseziel für die Briten verteuern. Eine Pauschalreise auf die Mittelmeerinsel kostete für eine Familie dann bis zu 290 Euro mehr. Die Folge: Es könnten künftig weniger Briten in Spanien Urlaub machen, der Immobilienmarkt würde belastet, Inselprodukte wie Weine und Kartoffeln wären bei den Abnehmern im Vereinigten Königreich weniger gefragt.
Kate Mentink, die auch in der Bürgervereinigung Ciudadanos Europeos aktiv ist, verweist darauf, dass in Großbritannien Gewerkschaften und Labour-Politiker sich gemeinsam für einen Verbleib in der EU ausgesprochen haben. Sollte der Brexit dennoch kommen, dann ist laut Mentink zunächst nicht mit unmittelbaren Folgen zu rechnen, da auf das Referendum gegebenenfalls eine zweijährige Übergangszeit mit Austrittsverhandlungen folgen würde. Allerdings gebe es durchaus Unklarheiten um die Wiedereinführung von Arbeitsgenehmigungen für Neuankömmlinge oder die Krankenversicherung.
„Das ist die Hauptsorge der Leute, zumal auch viele einen unklaren Status haben und nicht auf der Insel gemeldet sind.” Wer hingegen offiziell als britischer Rentner in Spanien etabliert sei, habe bei einer Rückkehr in die Heimat erst nach sechs Monaten wieder Anspruch auf Medikamente und ärztliche Behandlung.
Wohlhabenderen Residenten mit privater Krankenversicherung scheinen solche Probleme egal zu sein: „Wir beobachten, dass sich viele auf der Insel ansässige Leser über 60 für den Brexit aussprechen”, sagt Humphrey Carter von der MM-Schwesterzeitung Majorca Daily Bulletin. Dass es am Ende zu einem Austritt kommt, hält er für durchaus wahrscheinlich, auch wenn ein hundertprozentiger Rückzug aus der EU seiner Ansicht nur mit Nachteilen verbunden wäre. Seine Hoffnung setzt Humphrey Carter neben unentschlossenen Wählern, die in den aktuellen Umfragen teilweise unvollständig erfasst sind, vor allem auf die Jugend: „Die Erstwähler könnten der Schlüssel sein.”
Nur wenige Stimmen hat das „Stay”-Lager jedoch aus Mallorca zu erwarten. Denn wer als Brite seit mehr als 15 Jahren im Ausland lebt, verliert zu Hause die Wahlberechtigung. Weder Dominique Carroll noch Kate Mentink oder Humphrey Carter können also am Votum teilnehmen. Ein Problem, das weltweit bis zu zwei Millionen Briten betreffen soll.
(teilweise aus MM 25/2016)