Mallorca Magazin: Sie sprechen vor den Studenten der Ascenso Akademie für Business und Medien über die Marke Fußball und Ihren eigenen Werdegang. Wie lief bei Ihnen der Übergang vom Fußballer zum Manager?
Fredi Bobic: Man ist ja nicht vorbereitet und muss sich am Ende der Karriere überlegen, welchen Weg man einschlagen möchte. Bei mir war es immer so, dass mich interessiert hat, wie der Fußball funktioniert und was drumherum passiert, weniger was ein Trainer macht.
MM: Wie hat Ihr Einstieg in das Marketing ausgesehen?
Bobic: Ich hab mit der WM 2006 angefangen, als ich auf Sponsoren- und Medienseite viel unterwegs war und Vorträge gehalten habe. Das hat mich fasziniert. Darüber hinaus habe ich ein Fernstudium gemacht, das mir neue Einblicke verschafft hat, aber keinen Praxisbezug hatte. Deshalb habe ich bei der Deutschen Fußballliga einen Monat hospitiert, aus Eigeninitiative, weil die das noch nicht kannten. Ich wollte sehen, wie das alles funktioniert: Auslandsvermarktung, Fanwesen, Spielbetrieb, all die Kleinigkeiten, die langweilig aussehen, aber am Ende wichtig sind.
MM: Dann kam Bulgarien...
Bobic: Genau, mein Freund Krassimir Balakov (ehemaliger Mitspieler beim VfB Stuttgart, d.Red.) hat angerufen und mir ein Projekt am Schwarzen Meer vorgestellt, das mir gefiel. Da hab ich gesagt: Das mache ich. Das mag einige verwundert haben, aber Fußball wird weltweit gespielt, nicht nur in Deutschland.
MM: Ein Fußballprojekt in Bulgarien: Wie ist das gelaufen?
Bobic: Es ist sehr spannend gewesen. Es gab null Strukturen, so wie wir sie kennen. Der ein oder andere hat noch nie etwas von einer Marketing-Pyramide gehört. Du musst Leute suchen, die genau so ein Denken haben und nicht altsozialistisch orientiert sind. Wir haben sehr viele Personalentscheidungen getroffen und viel in der Infrastruktur verändert. Dann nach anderthalb Jahren...
MM: ... kam der Ruf aus der Heimat.
Bobic: ...hat der VfB angerufen. Ich hatte eigentlich einen Fünfjahresvertrag in Bulgarien und normalerweise erfülle ich meine Verträge. Aber wenn der VfB anruft, ist das eine andere Geschichte...
MM: Das ist Ihr Heimatverein. Bei dem mussten Sie aber schon schwierige Entscheidungen treffen, wie etwa die Entlassung von Trainer Labbadia.
Bobic: Das ist nicht so einfach. Du hast die größte Verantwortung gegenüber dem Verein. Persönliche Empfindungen oder Eitelkeiten zählen nicht, man muss Konflikte annehmen und lösen. Man muss sich freimachen von dem alltäglichen Wahnsinn im Fußball, dem Blick auf das Ergebnis. Das antizyklische Arbeiten ist unheimlich schwierig in einer aufgeregten Medienwelt, die im Fußball vorherrscht. Entscheidend ist, ob der Trainer die Mannschaft noch erreicht oder nicht erreicht. Wenn er sie nicht erreicht, dann ist es wie in einem Betrieb, dann wird er nicht funktionieren.
MM: Das zu beurteilen, ist aber auch nicht einfach!
Bobic: Das sind sportliche Entwicklungen, da muss man das Persönliche rauslassen. Persönlich ist es mir nicht leicht gefallen, es war der Sache und dem Verein geschuldet. Wir hatten erst drei Spiele verloren, vom Tabellenstand war es noch nicht so dramatisch und da hatten wir schon eine längere Losing-Street (Niederlagenserie, d.Red) von fünf Spielen. Dieses Mal musste ich die Reißleine ziehen.
MM: Wenn Sie Bruno Labbadia auf Mallorca treffen würden, wo er einen Teil des Jahres verbringt, würden Sie mit ihm einen Kaffee trinken?
Bobic: Auf jeden Fall. Wir hatten zwar seit der Entlassung keinen Kontakt mehr gehabt, das wird aber noch folgen, weil ich ihn persönlich für einen außergewöhnlichen Menschen halte, der respektvoll mit seinen Menschen umgeht und ein guter Trainer ist.
MM: Derzeit stehen Sie in der Bundesliga auf Platz 8. Wo sehen Sie den VfB langfristig?
Bobic: Wir wollen uns unter den Top-Five etablieren. Dabei muss man sich freimachen, vom Thema Kapital, denn es gibt da einige, die stärker sind. Wir müssen unsere Basis stärken und fördern. Wir haben eine sehr gute Nachwuchsarbeit, darum beneiden uns viele. Wichtig ist, dass wir die Talente, die wir hochbringen, auch halten, nicht dass sie uns ein Großer wegschnappt. Dazu müssen wir ihnen eine Erfolgsperspektive bieten. Dass der VfB Erfolg haben kann, hat er in den letzten Jahren oft genug bewiesen.
MM: Nervt das gelegentlich, wenn man in der Zeitung nur über Bayern und Guardiola liest?
Bobic: Nein, das gehört zum Geschäft dazu. Aber ich weiß gar nicht, ob das die Leute lesen wollen, die sich wirklich für Fußball interessieren. Allein mit Bayern funktioniert eine Liga nicht, du brauchst auch die anderen Vereine, Aufsteiger wie Braunschweig. Die machen den Fußball erst sexy. Darum geht es doch am Ende.
MM: Was halten Sie von der Idee von Uefa-Boss Michel Platini zu einer Nations League in der Saisonvorbereitung?
Bobic: Das war wieder mal so eine Idee... Ob das am Ende Nations Cup oder Freundschaftsspiele heißt, ist gehupft wie gesprungen. Mehr Spiele wird es für die Mannschaften ja nicht geben.
MM: Wie schätzen Sie die Attraktivität der Europa League ein, im Verhältnis zur Champions League?
Bobic: Auch in der Europa League gibt es interessante Mannschaften, aber die wirtschaftliche Diskrepanz zwischen Champions und Europa League ist gewaltig. Das macht es schwierig für diese Liga. Einen Mehrwert hast du nicht wirklich davon. Deswegen muss man sich überlegen, ob man sie kleiner macht, mit Vorqualifikation oder Ähnlichem.
MM: Wie sieht Ihr Tipp für die WM aus?
Bobic: Ich denke, wir kommen auf jeden Fall ins Viertelfinale. Ab dann gibt es keine Favoriten mehr und wir haben sehr gute Möglichkeiten. Aber in Südamerika hat noch keine europäische Mannschaft einen WM-Titel gewonnen, deswegen wird es verdammt schwer. Auch für Spanien, mich hat schon fasziniert, dass sie drei Titel in Folge gewonnen haben.
MM: Beobachten Sie auch die spanische Liga?
Bobic: Ja, sicher. Letztes Jahr war ich auch zwei, drei Mal hier und habe mir Real Mallorca angeschaut. Es ist eine gute Liga. Sie hat eine Masse an sehr guten, jungen Spielern, aber wirtschaftliche Probleme. So wie das System hier läuft, könnte es in Deutschland nie funktionieren.
Die Fragen stellte MM-Redakteur Thomas Zapp
ZUR PERSON
Geboren wurde Bobic 1971 in Maribor (Slowenien) als Sohn einer Kroatin und eines Slowenen, wuchs aber in Stuttgart auf. Sein Bundesliga-Debüt feierte er 1994 beim VfBStuttgart, mit dem er 1997 den DFB-Pokal gewann. 1999 wechselte er zu Borussia Dortmund, mit denen er 2002 Deutscher Meister wurde.
Im Sommer desselben Jahres wechselte er zu Hannover 96, wo er nach einer starken Saison wieder ins Nationalteam berufen wurde. Ein Jahr später wechselte er zu Hertha BSC. In 285 Bundesligaspielen traf Bobic 108-mal.
2006 spielte Bobic in der kroatischen Liga und wurde mit HNKRijeka kroatischer Pokalsieger.
Zwischen 1994 und 2004 brachte es der Schwabe auf 37 Länderspiele für Deutschland, in denen er 10 Tore erzielte.
Seit 2010 ist Bobic Sportdirektor des VfB Stuttgart und seit April 2013 als Vorstand Sport Vorstandsmitglied des Vereins.