Der einzige etwas unangenehme Moment auf dieser Tour ist der des Helmaufsetzens. Bei der Hitze im Stand ist das kein Vergnügen. Danach wird es brisig frisch, angenehm und genau richtig. Warum in einem Auto schwitzen, wenn es auch anders geht? Lautes Grillenzirpen, der Duft nach Hitze und Pinien und die Stimmung eines heißen Sommertages auf Mallorca – bei einer Tour mit dem Motorroller saugt man es direkt auf.
Möglichkeiten, sich einen Roller, hierzulande Scooter genannt, auszuleihen, gibt es viele (siehe Kasten). Einige bieten sogar direkten Transport ans Hotel an. Ein wenig Fahrerfahrung hilft, aber auch Anfänger kommen schnell mit einem Roller zurecht.
In Palma geht es auf dem Paseo Marítimo los Richtung Calamajor. Das eigene Geschick mit rechts überholenden Autos und großen Touristenbussen kann man hier testen. Die Strecke zwischen Calamajor und Palmanova ist zugegeben ein touristisches Nadelöhr mit ein wenig Stop-and-go. Wer Zeit sparen möchte und sich die Autobahn zutraut (und einen Scooter mit Autobahnzulassung hat; ab 125 Kubikzentimeter, siehe Infokasten), der kann direkt in Palma auf die Autobahn Richtung Andratx fahren und bei der Ausfahrt 13 Palmanova wieder runterfahren.
Ansonsten wächst die Lust auf einsame Straßen und gewundene Wege, während der Roller vorbei am Sommerkönigspalast Marivent, diversen Kreiseln und nach Erfrischung lechzenden Touristen fährt. Der von Engländern geliebte und geprägte Ort Cas Catalá mit Charity-Läden, Portals Nous und Palmanova mit schönen Stränden und vielen Bars, sie alle werden auf dieser Tour nur gestreift. Umso schöner ist es dann in Palmanova nach rechts Richtung Calvià auf die PMV-1015 abbiegen zu können. Die Straße leert sich und die bewaldeten Hänge tauchen auf. Kurvige Straßen mit moderater Steigung schafft der Roller locker. Mit einer Wohlfühlgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern rollt man entspannt dahin. Auch bei über 30 Grad im Schatten ist der Fahrtwind angenehm. Calvià, in Palma-Nähe, ein lauschiges mallorquinisches Dorf mit Bars und Restaurants. In einem serviert ein waschechter englischer Mallorquiner mit starken nordenglischen Akzent "Fish & Chips". In der Bar neben-an sitzen die älteren Männer mit farblich gedeckten Strickwesten stumm in der Mittagshitze und beäugen jeden Fremden eindringlich.
Hinter Calvià führt die Landstraße PMV-1031 vorbei an Olivenbäumen, an Mandelbäumen mit reifen, schon aufgeplatzten Früchten, Johannisbrotbäumen mit Schoten, die zusammengefalteten Fledermäusen ähneln, ausgedorrten gelblich gefärbten Wiesen oder kleinen Terrassen. Zwischendurch leuchten rosafarbene Bougainvilleen. Ein Borussia-Dortmund-Fan hat die Fahne auf seiner kleinen Finca zwischen Calvià und Es Capdellà gehisst. Etwas Wein wird hier angebaut und die wenigen Rebstöcke beliefern direkt eine Bodega an der Strecke.
Die Straße wird steiler, zwischendurch gibt es fantastische Ausblicke auf das Tal und hinten schimmert das Meer. Einige wenige mutige Radfahrer strampeln den Berg hoch, auch bei der Augusthitze. Der Roller zieht entspannt an ihnen vorbei. Keine Schweißperle tropft in den Helm.
In Es Capdellà ist die Abfahrt Richtung Andratx ein wenig versteckt. Eine unscheinbare, anfangs etwas buckelige Straße führt über die Berge. Das laute Zirpen der Grillen dringt sogar durch den gepolsterten Helm, bei offenem Visier schlägt einem der Duft von Pinien entgegen. Der Scooter klettert immer höher, die kurvigen Straßen sind teilweise schmale Serpentinen. Beim Fahren möchte man am liebsten ständig vor- und zurückschauen, aber beim Blick in die Tiefe der Böschung konzentriert man sich doch lieber auf die Straße, die vor einem liegt.
Die Bäume spenden Schatten. Die Anfahrt auf Andratx ist wunderschön. Langsam windet sich die Straße nach unten. In Andratx der Beschilderung Richtung Sant Elm und S'Arracó folgen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Auf der PM-103 direkt nach S´Arracó zu fahren oder einen kleinen Schlenker Richtung Port d'Andratx auf der MA-10 zu machen und an der Kreuzung auf die PMV-1022 rechts nach S´Arracó abzubiegen. Auf der Straße Richtung Port d'Andratx lassen die zum Verkauf stehenden Yachten einen Hauch des mondänen Hafenortes erahnen - im Vergleich zum noch stark dörflich geprägten Andratx.
Ein "Metzgerei"-Schild in S´Arracó verrät, dass auch hier sich einige Deutsche niedergelassen haben. Karstige Tramuntanafelsen links und rechts säumen die letzten sechs Kilometer. Die letzte Kurve, ein leichter Abwärtshang. Da ist es: Sant Elm. Segelboote umgeben die kleine Insel vor Sa Dragonera, der Dracheninsel, die tatsächlich wie ein schlafender Drache aussieht. Kleine Echsen leben hier ungestört und krabbeln den Besuchern über die Füße und Hände. Die Straße führt direkt auf den Strand zu. Ein Bad im klaren Wasser oder ein Besuch in einem der Fischrestaurants ist ein Muss, bevor es wieder zurück Richtung Palma geht.
Varianten der Strecke:
Hinweg: Von Palma über den Camí de Jesús, die PMV-1042, 1041 und 1016 nach Calvià fahren
Für den Rückweg bieten sich diese Varianten an: Sant Elm, Andratx, Banyabulfar, Estellencs, Esporles, Establiments (Highlights: gewundene wunderschöne Straße mit Blick auf Steilküste, Meer und terrassierte Hänge, die Orte Banyalbufar und Estellencs allein sind einen Besuch wert). Die Alternative: Sant Elm, Andratx, Es Capdellà, Richtung Puigpunyent, Palma (Highlight: Die Strecke Richtung Puigpunyent ist oft fast menschenleer).
TIPPS UND INFOS
Kleidung
Konsequente Rollerfahrer empfehlen trotz Hitze hohe feste Schuhe oder mindestens Turnschuhe und einen Nierenschutz (Gurt). Eine schützende Jacke ist besonders auf der Autobahn wichtig, Handschuhe sind ebenfalls zu empfehlen.
Voraussetzungen
Einen Roller mit 125 Kubik darf in Spanien jeder fahren/mieten, der einen europäischen Autoführerschein und mindestens drei Jahre Fahrpraxis hat. Manche Verleihe verlangen ein Mindestalter von zum Beispiel 23 Jahren. Die 125er sind autobahntauglich, alle kleineren müssen auf der Landstraße bleiben
Preise
Die Preise von Leih-Rollern variieren je nach Kubikzahl und Model. Vollkasko (todo riesgo) wird zusätzlich zur Versicherung angeboten und liegt zwischen zirka 3 und 7 Euro.
Beispiele
50 cc Kymco pro Tag 33,50 Euro ohne Versicherung plus Vollkasko.
125 cc Kymco 39,90 plus Vollkasko.
Klassische 125 cc Vespa ab zirka 48 Euro plus Vollkasko.
Personalausweis oder Reisepass muss als Pfand hinterlegt werden. Zusätzlich eine Kaution, die zwischen 150 und 350 Euro liegen kann.
Routentipps erteilen die meisten Verleihe. Manche haben speziell geführte Touren im Angebot. Einige Unternehmen bieten zusätzliche Bring- und Abholdienste an, meist gegen einen Aufpreis.
Parken
Scooter können überall gebührenfrei in den speziell dafür gekennzeichneten Zonen „Moto“ abgestellt werden. Selbst in der blauen Zone (gebührenpflichtiges Parken oder mit Anwohnerkarte) gibt es in der Regel keine Probleme.
Tankstellen auf der Strecke
Palma, Calvià, Andratx
Gasolina 98 oder 95. Mit einer Tankfüllung kommt man je nach Rollertyp und Gewicht zirka 150 bis 180 Kilometer weit.
(aus MM 34/2014)