Am vergangenen Sonntag beging Real Mallorca mit einem Gala-Abend in Palmas Stadttheater seinen runden Geburtstag. Seine erste Partie spielte der Verein genau heute vor 100 Jahren.
"Die Menschen, die diesen Verein zu dem gemacht haben, was er heute ist, verdienen rauschende Feste dieses Jahr", sagt Miguel Vidal. "Aber aufgrund der derzeitigen Situation will keine richtige Feierstimmung aufkommen." Der 73-jährige Vidal kennt Real Mallorca wie kaum ein anderer. Der Mann aus Consell ist ein renommierter Sportjournalist und verfolgt das Geschehen beim Inselclub seit über 50 Jahren. 1959, mit nur 17 Jahren, beginnt er als Redakteur bei der Sportzeitung "Fiesta Deportiva", arbeitet später 30 Jahre beim Sportblatt "As" in Madrid.
"Real Mallorca", sagt Vidal, "das ist und bleibt einer der großen Traditionsvereine in Spanien." Seine Geschichte beginnt 1916, zu einer Zeit, als König Alfons der XIII. herrscht. Der Verein wird nicht als Real Mallorca geboren. Bis 1931 heißt der Club Sociedad Alfonso XIII. Bereits drei Monate nach der Gründung durch Adolfo Vázquez verleiht ihm der König den Titel Real Sociedad Alfonso XIII. Nach der Abwahl des Monarchen und der Proklamation der Zweiten Republik 1931 erfolgt die Umbenennung in Club Deportivo Mallorca. Jeglicher Bezug auf die Monarchie ist fortan verboten. "So ist Sportgeschichte auch ein Stück weit politische Geschichte", sagt Vidal.
Die ersten 29 Jahre werden die Spiele auf dem Sportplatz Buenos Aires im gleichnamigen Stadtteil Palmas ausgetragen, ehe 1945 der Umzug ins Lluís-Sitjar-Stadion erfolgt. "Zum ersten Mal Geschichte schreibt die Mannschaft dort am 17. April 1960", erklärt Vidal. Dem jungen Team gelingt binnen zwei Jahren der Durchmarsch von der dritten Liga in die Primera División. "Das war ein wahrhaft magischer Moment!" Aber die unerfahrene Mannschaft kann die Klasse nicht halten. Es folgen in zehn Jahren zwei Ab- und Wiederaufstiege.
Fast 30 Jahre lang ist Real Mallorca das, was man eine Fahrstuhlmannschaft nennt, macht teilweise eher durch Skandale als guten Fußball Schlagzeilen. "1961 versuchte Real den Torwart von Teneriffa zu kaufen. Es gab einen Bestechungsversuch, den der Gegner auf Tonband aufnahm und vor dem Spiel über die Lautsprecher des Stadions abspielte. Die Spieler von Mallorca mussten um ihr Leben rennen", erzählt Vidal noch heute sichtlich amüsiert.
Die Belohnung für die sportliche Konstanz, die sich ab Ende der Achtzigerjahre langsam einstellt, gibt es 1991, als die Roten zum ersten Mal ins Finale des Spanischen Pokals einziehen. Ein Erfolg, auch wenn das Spiel im Bernabeu-Stadion mit 0-1 gegen Atlético Madrid verloren geht. Das zweite Pokalfinale 1998 können die Inselkicker ebenfalls nicht für sich entscheiden. Im Elfmeterschießen unterliegen sie dem FC Barcelona. Dennoch, kurz darauf beginnt die wohl erfolgreichste sportliche Phase. Die Roten üben Rache und bezwingen die Katalanen in der Supercopa sowohl im Hinspiel in Palma als auch im Rückspiel vor 55.000 Zuschauern in Camp Nou. Real Mallorca gewinnt seinen ersten nationalen Titel.
1999 steht der RCD im Finale des Europapokals der Pokalsieger. Gegen Lazio Rom verliert man zwar mit 1:2, ist aber trotzdem Teil eines Spiels für die Geschichtsbücher. Das Finale soll das letzte dieses Turniers gewesen sein, das nach 39 Ausgaben nie wieder ausgetragen wird.
Das neue Selbstbewusstsein führt die Inselkicker bis in die Champions League. "Den größten Erfolg der Vereinsgeschichte aber feiert der Club 2003 auf nationaler Ebene", so Vidal, dessen Augen leuchten, wenn er davon erzählt. Im Stadion von Elche trifft Mallorca im Finale der "Copa del Rey" auf Huelva. Im Viertelfinale hatte man bereits Real Madrid mit 4:0 deklassiert, im Halbfinale Deportivo La Coruña, damals eines der erfolgreichsten Teams Spaniens, ausgeschaltet. Unter anderem ein Doppelpack von Superstar Samuel Eto'o beschert den Roten einen 3:0-Sieg und den lang ersehnten Pokalerfolg.
Der Verein hält nach der Jahrtausendwende Saison um Saison solide die Klasse, spielt zweimal im Uefa-Pokal, seit 2003 im neuen Stadion Son Moix, der von da an ungeliebten und meist nur spärlich besuchten Heimstätte, die für viele Mallorquiner nur ein hässlicher Betonklotz ist, in dem es zieht.
2010 dann der Knick - der Club muss nach mehrfachem Besitzerwechsel Konkurs anmelden. 2013 folgt auch der sportliche Misserfolg: Abstieg nach 16 Jahren in der ersten Liga! Seitdem hat der Verein acht Trainer verschlissen. Anfang Januar 2015 kauft Utz Claassen die Aktienmehrheit, wird faktisch zum Besitzer des Vereins. Exakt ein Jahr später, Anfang 2016, übernimmt die Mehrheit der US-Amerikaner Robert Sarver. Dieser ist nun Inhaber eines Fußballvereins, der zweifelsohne ein Stück Inselgeschichte geschrieben hat und sich zu seinem Hundertjährigen eigentlich nichts anderes wünscht, als wieder erstklassig zu werden. Ein frommer Wunsch, wenn man auf die Tabelle blickt.
(aus MM 9/2016)