Zum Interviewtermin erscheint Manfred Nepp im Radfahreroutfit - was soll der Krefelder auch sonst tragen, sitzt der 75-Jährige nun doch schon seit über 60 Jahren im Sattel. Insgesamt 1173 Siege holte er in seiner Laufbahn als Amateur-Radfahrer, 66 davon errang Nepp auf Mallorca. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er seine Autobiografie "Manfred Nepp – Ein Sir auf zwei Rädern". Einige Exemplare des Buches brachte er nun Bekannten an der Playa de Palma mit.
"Mallorca ist meine Lieblingsinsel, einmal im Jahr kommen wir hierher", erzählt "Manni", wie ihn seine Freunde nennen. Seinen weiteren Spitznamen "Sir" bekam der Ausnahmesportler auch auf Mallorca verpasst. "Als sein Haar langsam weiß wurde, hieß er erst 'pelo blanco" und dann 'Sir'", erzählt seine Frau Gabi und lacht. 150-mal hat der Krefelder Sportler die Insel besucht. "1960 war ich das erste Mal hier", erzählt er. Viele Medaillen bei verschiedenen Radturnieren errang er hier, leitete im Frühjahr Trainingscamps auf der Insel und nahm im Oktober an der Mallorca-Rundfahrt teil.
Mittlerweile besuchen er und seine Frau das Eiland einmal im Jahr. Dabei wählen sie ein Hotel an der Playa de Palma und erkunden die Insel mit dem Mietwagen. "Früher fuhr ich auf den Puig Major und nach Sóller mit dem Rad", erzählt der 75-Jährige mit melancholischem Ton in der Stimme. "Heute bin ich froh, wenn es flacher wird." Auch ans Cap Formentor zog es den Sportler immer nur auf zwei Rädern, heute bewältigt er den Anstieg mit dem Auto.
Nicht immer war ihm die Insel wohlgesonnen: Zwei schlimme Stürze erlebte er während der Mallorca-Rundfahrt. Einmal 1994 in Cala d'Or und 1999 beim Endspurt. "Da macht man schon etwas mit", erzählt seine Frau und blickt ihn an.
Doch den schlimmsten Unfall erlebte Manfred Nepp im August 2012 bei einer Trainingsfahrt in der Heimat: Der Radsportler wurde von einem Auto angefahren. Damit war seine sportliche Karriere beendet, sein Leben änderte sich. Insgesamt anderthalb Jahre verbrachte der Senior nach dem Zusammenstoß im Krankenhaus, er bekam einen Herzschrittmacher und war schwer traumatisiert. Der "Sir" befand sich in einer schlechten psychischen Verfassung, als sein Freund Rudi Christ, mit dessen Hilfe die Autobiografie entstand, mit der Idee zu ihm kam, ein Buch zu schreiben. Darin finden sich nun alle Erfolge des Krefelders sowie viele Fotos aus seinem Leben.
Nepp hat daran zu knabbern, dass sein Körper der sportlichen Belastung nicht mehr so standhält wie vor dem Unfall. Immer wieder unterbricht er seinen Redefluss und erzählt von seinen Siegen: Europameisterschaft in Italien, siebenmal Mexiko-Rundfahrt, viermal Südafrika, mit 18 Jahren Mitglied in der Bahnradnationalmannschaft, beim Steherrennen in Amsterdam fuhr er 98 Kilometer pro Stunde ... Die halbe Welt hat er bereist, um in verschiedenen Ländern Rennen zu fahren, immer an seiner Seite: Frau Gabi. "Landete ich mal auf einem schlechten Platz, haben alle gefragt, was passiert war", sagt der 75-Jährige und blättert in seinem Buch.
Auch seine drei Kinder fahren alle Rad, sein Sohn Uwe Nepp war 20 Jahre lang sogar Radsportprofi. "Ich bekam auch Vertragsangebote als Profi." Diese lehnte er ab, weil er in jungen Jahren Vater wurde und als Profi keine Zeit für die Familie gehabt hätte. So blieb er sein ganzes Leben lang seinem Verein RSV Bochum treu.
(aus MM 43/2016)