Leugnen kann Nello di Martino seine italienische Herkunft schon optisch nicht. Die Jeans sitzt perfekt, die dunkelblaue Strickjacke passt zum blau-weißen Maßhemd und dem grau-melierten Haupthaar, rot leuchtende Sneakers sorgen für den notwendigen farblichen "Bruch". Dass sich der 65-Jährige, der seit Jahrzehnten in Berlin lebt, seinem Heimatland immer noch tief verbunden fühlt, wird spätestens dann klar, als er einen Anruf bekommt und die Hymne "Fratelli d'Italia" aus dem Lautsprecher seines Mobiltelefons erklingt.
Geboren im tiefen Süden, vor den Toren Neapels, führte ihn sein Weg über die Jugend von Inter Mailand zum AC Mantua und zum FC Genua. Mit zarten 20 Jahren folgte der Wechsel ins Ausland. Seit 1971 ist di Martino in verschiedenen Funktionen beim Hauptstadtclub Hertha BSC aktiv. Er hat als Teamleiter das Trainingslager, das die Mannschaft der "Alten Dame" vom 7. bis 14. Januar auf Mallorca abhalten wird, organisiert.
"Eigentlich kümmere ich mich um alles, was so anfällt", schmunzelt di Martino. "Ich organisiere Hotels, inspiziere die Trainingsanlagen, sorge für die Anreise - sozusagen das Rundum-Paket." Dabei legt er Wert auf Dinge, an die man als "Normalo" nie denken würde. "Das kann die Größe der Fernsehgeräte im Hotel genauso sein wie die Ausstattung des Bades. Dass es zum Beispiel Duschen gibt und nicht nur Badewannen." Auf Mallorca, sagt er, habe man die idealen Voraussetzungen für das einwöchige Trainingslager gefunden. "Hier stimmt einfach alles, das Leistungszentrum von Real ist super und im Team-Hotel in Son Vida finden wir auch alles, was wir benötigen."
Das Trainingslager findet zu einer Zeit statt, in der Hertha in der Bundesliga-Tabelle besser da steht, als es viele Experten zu Saisonbeginn erwartet haben. Auf dem dritten Platz ist der Verein derzeit ganz vorne mit dabei. Und wie bewertet der Teamleiter den sportlichen Erfolg? "Wir sollten immer schön auf dem Boden bleiben", sagt di Martino. "Wir freuen uns natürlich, aber wir sind auch ganz realistisch." Zu einem konkreten Saisonziel der Blau-Weißen will er sich nicht äußern. "Es ist natürlich super, wenn man in der Folgespielzeit international antreten darf - die Champions League ist für jedes Team ein Traum, aber die Doppelbelastung kann den Liga-Alltag auch schwieriger machen."
Das Maß aller Dinge bleiben für den Mann mit dem italienischen Akzent die Bayern, auch wenn sie derzeit mit RB Leipzig einen starken Konkurrenten haben. "Kaiserslautern ist 1998 auch nach dem Aufstieg Meister geworden, sowas geht schnell." Überbewerten solle man einen Höhenflug, wie ihn der Brause-Klub gerade erlebt, aber nicht. "Die Bayern werden weiter erfolgreich sein. Carlo Ancelotti ist ein guter Trainer, egal wo er gearbeitet hat, hatte er Erfolg."
Wie sich die großen Titel anfühlen, das weiß auch Nello di Martino. 2004 betreute er die italienische U21-Mannschaft, die die EM gewann, zwei Jahre später die A-Nationalmannschaft, die Weltmeister wurde. "Das Finale in Berlin, das war wie ein Film. Es fühlte sich unglaublich an!"
International hält di Martino auch heute noch zu den Italienern. "Ich schaue mir auch Spiele der Deutschen an, aber ich bin für Italien. Ich konzentriere mich auf eine Sache und mache diese richtig. Das ist mir lieber, als zwei Sachen nur halb zu machen." Aus diesem Grund habe er auch ein Angebot abgelehnt, in Berlin in die Kommunalpolitik zu gehen. "Man hat versucht, mich dazu zu überreden. Ich habe gesagt' Leute, noch bin ich im Fußballgeschäft, wenn sich das mal ändert, dann mache ich gerne Politik."
(aus MM 49/2016)