Während Chartersegler für ihren Törn entlang der Küste von Mallorca den nötigen Proviant an Bord bunkern und danach stundenlang über den möglichen Kurs diskutieren, hat Hugo Ramón die Insel bereits komplett umrundet – 312 Seemeilen, allein, nonstop. Und zwar mit einem Boot kaum größer als eine Mercedes S-Klasse, zwanzig Minuten Schlaf und einer stabilen Brise von Achtern. Der mallorquinische Hochseesegler stellte in der Nacht zu Mittwoch (16.4.) einen neuen Rekord für die schnellste Solo-Umrundung Mallorcas auf: 19 Stunden, 51 Minuten und 29 Sekunden.
Wer jetzt denkt: „Na und?“, dem sei gesagt – der Mann hatte weder Crew noch Autopilot noch eine Kaffeemaschine an Bord. Stattdessen eine 6,5-Meter Hochsee-Jolle der Mini-Transat-Klasse, einen Meteorologe mit Spürnase fürs perfekte Wetterfenster und den festen Willen, schneller zu sein als je ein Einhandsegler zuvor.
Einhand, aber nicht planlos
Gestartet war Ramón am Dienstagnachmittag kurz nach 17 Uhr in der Bucht von Palma. Von dort ging’s im Uhrzeigersinn rund um die Insel, an Andratx und Dragonera vorbei, die Westküste hinauf zu den übellaunigen Klippen von Cap Formentor, den thermischen Tücken im Westen und den windigen Geraden entlang der Südküste. Als er am Mittwochvormittag wieder in Palma einlief, wartete der Real Club Náutico mit Applaus, Selfies – und Sekt, den Ramón standesgemäß gleich aus der Flasche trank.
Das Ganze war kein Zufall. Ramóns Meteorologe Gabi Pérez hatte das perfekte Wetterfenster aufgespürt: wenig Welle, viel Wind von Achtern, kein Schmodder. „Es war die letzte Chance vor dem Sommer“, sagte Ramón, „aber die Bucht von Palma war wie immer kompliziert.“ Selbstkritisch, wie er ist, resümierte er hinterher: „Ich habe Dinge gesehen, die mir noch fehlen.“ Klingt nach Therapiestunde, war aber einfach sportlich gemeint.
Sein Boot, die „Cristalmina-Majorica“, ist für Atlantikrennen gebaut. Die Mini-Transat kennt Ramón wie seine Westentasche: 2005, 2007, 2009 war er dabei – und im kommenden September will er nochmal über den großen Teich. Der Mallorca-Rekord war da nur ein Trainingsritt.
Die Dänen waren schneller – aber nicht allein
Den absoluten Geschwindigkeitsrekord hat Ramón damit aber nicht gebrochen. Der gehört der dänischen Rennmaschine „Trifork“, einem Hightech-Monster mit mehr Technik an Bord als so mancher Flughafen-Tower. Das 18-Meter-Geschoss schaffte die Strecke bereits vor fünf Jahren in gerade einmal 13 Stunden und 15 Minuten – mit Crew, mit Foils und mit Sturm. Damals herrschten rund um die Insel perfekte Bedingungen für Segler mit starkem Magen: bis zu 20 Knoten Bootsgeschwindigkeit, eine Böe nach der anderen, der Kurs gegen den Uhrzeigersinn.
Die „Trifork“ war am frühen Morgen in Palma gestartet und schoss wie auf Schienen rund um die Insel. Die Crew: gestandene Weltumsegler, die mehr Seemeilen im Logbuch haben als die meisten Pendler Kilometer auf dem Tacho. Der damalige Rekord von 17 Stunden und 14 Minuten, aufgestellt im Jahr 2005, wurde damit um vier Stunden pulverisiert. Und das, obwohl in den Jahren dazwischen mehrere Versuche scheiterten – oder gleich im Hafen endeten.
Yachturlaub trifft Yachtwahnsinn
Für normale Segler bleibt Mallorcas Küste ein lohnendes Ziel – aber ein anderes Kaliber. Wer mit der Charteryacht unterwegs ist, plant für die Inselrunde eher sieben Tage, inklusive Stopps in Port d’Andratx, Sóller, Alcúdia und mindestens einem Restaurant mit „beste Paella“-Versprechen. Sportlich gesinnte Crews schaffen es in zwei, vielleicht drei Tagen – wenn sie auf Schlaf, Ankerbuchten und Instagram verzichten.
Die Umsegelung ist ein Klassiker, aber je nach Kurs, Wind und Schnorchelumweg misst die Strecke zwischen 312 und 350 Seemeilen. Was bei Hugo Ramón nach Speedrun klingt, ist bei anderen eine Urlaubswoche mit Umwegen, Sonnencreme und Hafendusche.
Die Insel als Spielfeld
Ramóns Rekord zeigt, dass Mallorca mehr kann als Ballermann und Bojenfelder. Die Insel ist Regattastrecke, Testgelände, Naturgewalt. Thermiken im Westen, Fallböen im Norden, Flauten auf der Ostseite – der Kurs ist tückisch, vielseitig, manchmal unfair. Ramón hat sich trotzdem durchgebissen – mit einem halben Powernap und jeder Menge Seemannsgarn für künftige Interviews.
Was bleibt? Ein neuer Rekord für Solo-Segler, ein Satz nasser Klamotten – und der Beweis, dass man die Insel auch umrunden kann, ohne auf halber Strecke in Cala Ratjada ein Eis zu holen. Wer Hugo Ramóns Zeit unterbieten will, braucht nicht nur ein Boot und Wind – sondern auch Nerven, Timing und ziemlich wenig Schlafbedarf.