Wenn Ulrich Taffertshofer über den Rasen des Estadi Balear schreitet, wirkt der 32-Jährige wie ein erfahrener Ordnungshüter, der sich seiner Aufgabe in jeder Sekunde bewusst ist. Der gebürtige Oberbayer, der Stationen beim TSV 1860 München, der SpVgg Unterhaching, dem VfL Osnabrück, dem SV Wacker Burghausen, dem VfB Lübeck und dem FC Erzgebirge Aue hinter sich hat, ist seit über einem Jahr das defensive Herzstück von Atlético Baleares. In der vierten spanischen Liga, der Segunda RFEF, agiert er im Zentrum als kompromissloser Abräumer – und hat sich in dieser Rolle zu einem Publikumsliebling entwickelt.
Sein Spitzname „Sheriff”, der inzwischen sogar auf seinem Trikot steht, passt perfekt zu seinem zweikampfintensiven Stil. „Jetzt wird das schon ein bisschen geläufiger. In der Kabine auf dem Standardzettel steht jedenfalls auch schon Sheriff drauf”, erzählt er schmunzelnd. Die Herkunft des Namens liegt einige Jahre zurück: „Verpasst hat mir den Namen mein damaliger Mitspieler Dr. Josef Welzmüller, mit dem ich immer zum Eishockey gegangen bin. Im Endeffekt sollte es meine Spielweise auf dem Platz widerspiegeln, dass ich im Mittelfeld aufräume und bildlich gesprochen Spieler verhafte.”
Ob es nun am Spitznamen liegt oder an seiner Art – Taffertshofer ist einer, der Verantwortung übernimmt. Und einer, der Nähe zeigt. Ein Bild aus dem jüngsten Heimspiel gegen den FC Girona B (2:2) bleibt besonders hängen: Während viele seiner Teamkollegen enttäuscht Richtung Kabine trotten, schlägt der „Sheriff” den entgegengesetzten Weg ein – zu den Fans. Fotos, Autogramme, ein kurzes Gespräch hier, ein Schulterklopfer dort. „Ich finde, dass sich das nach dem Spiel einfach gehört, dass man sich Zeit nimmt für die Fans. Schließlich war man selbst auch mal klein und hatte seine Idole”, sagt er.
Nicht selten verlässt er als Letzter den Platz. Auf dem kleinen Mäuerchen als Begrenzung zum Innenraum sitzt dann oft seine kleine Tochter, stolz mit einem Trikot, auf dem „Papa” und die Rückennummer 22 steht. Eine Szene, die sich bei Heimspielen fast schon ritualisiert hat.
Sportlich lief es in der vergangenen Saison nicht immer wie erhofft. Der verpasste Aufstieg in den Play-Offs schmerzte. Dennoch fühlt sich die Familie Taffertshofer auf Mallorca rundum zu Hause. „Wir bereuen es jedenfalls nicht, dass wir hergekommen sind. Wir fühlen uns sehr wohl. Unsere Tochter hat einen Platz in einem schönen Kindergarten und wir haben einen geregelten Tagesablauf.” Die Lage der Wohnung? Perfekt. „Wir wohnen unweit vom Stadion, da könnte ich sogar zum Training laufen. Meine Frau arbeitet in einer deutschen Firma in Arenal. Aber man muss auch sagen, dass wir hier jetzt schon so viel Besuch hatten wie in den Jahren zuvor in Lübeck und Chemnitz zusammen nicht.”
Auf dem Platz hat er sich an das Niveau der Segunda RFEF längst gewöhnt. „Technisch ist das hier ein anspruchsvolles Niveau, taktisch dagegen etwas wilder”, sagt er. Die Kartenstatistik – im Vorjahr mit drei gelben und einer roten Karte in den ersten sechs Ligaspielen noch auffällig – hat sich beruhigt: „In dieser Saison habe ich zwei Gelbe Karten in zehn Spielen, das ist eigentlich meine normale Quote.”
Der Saisonstart für Atlético Baleares war verheißungsvoll: Vier Siege aus fünf Spielen – ein klares Signal. Danach folgte jedoch eine Serie von fünf sieglosen Begegnungen. „Trotz allem waren da schon ordentliche Spiele dabei, wir haben es nur verpasst, Tore zu schießen und die Spiele klarzumachen. In Andratx beispielsweise hätten wir schon 3:0 führen müssen”, erklärt Taffertshofer. Auch gegen Girona B und Espanyol Barcelona B verspielte man Führungen. „Gegen so junge Mannschaften müssen wir die Führung einfach über die Zeit bringen.” Am vergangenen Wochenende kehrte ATB durch einen 2:1-Sieg bei Torrent CF (beide Tore von Jaume Tovar) in die Erfolgsspur zurück – mit einem Ulrich Taffertshofer in Top-Form.
"Im Idealfall steigen wir auf"
Über eine Zeit nach der Ära Atlético Baleares macht er sich berechtigterweise noch keine Gedanken. Klar ist aber, dass die spanische Segunda RFEF in Deutschland doch etwas unter dem Radar fliegt. Angst, vergessen zu werden? „Ja und nein”, sagt er. „Das ist Aufgabe des Beraters, der einen dann entsprechend platzieren müsste. Aber im Idealfall steigen wir auf, und mein Vertrag verlängert sich mit einer gewissen Anzahl an Spielen automatisch.”
Die Liebe zu Mallorca und erwärmenden 20 Grad im November ist klar herauszuhören. Die Insel hat es der Familie ohnehin angetan. „Wir mögen Palma genauso wie die Strände. Wir wissen es hier sehr zu schätzen.” Ein Kontrast zu Lübeck, seiner letzten Station, wo im November beißender Seitenwind von der Ostsee herwehte. Und selbst das Reisen zu Auswärtsspielen per Flugzeug empfindet er als angenehm: „Rein vom zeitlichen Aufwand waren wir in der 3. Liga in Deutschland gleich lang oder sogar länger unterwegs.”
Ein weiterer Wunsch wäre es, noch einmal mit Bruder Emanuel zusammenzuspielen. Der ist aktuell bei Akritas Chlorakas auf Zypern unter Vertrag, doch Ulrich Taffertshofer gibt die Hoffnung auf eine Bruder-Vereinigung auf dem Sportplatz nicht auf. Und warum eigentlich nicht bei ATB? „Falls wir hier aufsteigen, könnte ich mir das schon vorstellen.”
Der Sheriff ist bereit. Und in einem Umfeld, das in den vergangenen Jahren mehr Enttäuschungen als Erfolge erlebt hat, tut einer wie Taffertshofer besonders gut: ein Spieler, der aufräumt – auf dem Platz wie im Herzen der Fans.