Im Skandal um manipulierte Abgaswerte von VW bereitet die Anwaltskanzlei Martínez-Blanco auf Mallorca die erste Sammelklage in Spanien vor. Die Flut von Anrufen betroffener Autobesitzer, die sich nach ihren Ansprüchen erkundigten, habe sie zu dieser Initiative bewogen, sagt der Rechtsanwalt Norberto José Martínez-Blanco dieser Zeitung. Er gehöre selbst auch zu den Geschädigten.
Aktuell repräsentiere seine Kanzlei 1500 Betroffene auf Mallorca und in Alicante, wo sie ebenfalls ein Büro unterhalte, und täglich kämen neue Mandanten hinzu, meint Martínez-Blanco. Eine Sammelklage reduziere die Kosten für die Betroffenen und erleichtere es ihnen, Klarheit über ihre Ansprüche zu bekommen: "Zum einen werden wir von VW Entschädigung fordern, weil der Konzern uns über die wahren Eigenschaften der Fahrzeuge getäuscht hat, und zum anderen die Rückzahlung des gesamten Betrags, den wir für das Auto gezahlt haben, oder ersatzweise ein neues Auto mit den ursprünglich angegebenen Eigenschaften."
Noch wisse man nicht genau, welche Modelle von dem Abgas-Skandal betroffen seien, sagt der Rechtsanwalt. Das werde sich in den nächsten Tagen herausstellen. Sobald Gewissheit herrsche und damit die Zahl der Geschädigten feststehe, werde man die Klage einreichen. Das solle je nach Wohnort der Mandanten bei den Gerichten in Palma und Alicante geschehen.
Die Zahl der Fahrzeuge auf Mallorca, die vom Abgas-Skandal betroffen sind, schätzen die hiesigen Verbraucherorganisationen laut der Zeitung Ultima Hora auf etwa 1000 ein. Dazu gehören neben Fahrzeugen von VW und Audi auch Modelle weiterer Konzerntöchter. So sei der entsprechende Dieselmotor vom Typ EA 189 auch bei der Konzerntochter Skoda verbaut worden, hat ein Sprecher von Skoda bestätigt. Bei aktuellen Modellen gebe es aber keine Probleme. Seat hat ebenfalls bestätigt, dass in dem Werk der spanischen VW-Tochter Fahrzeuge mit der manipulierten Diesel-Technologie montiert worden seien. Die genaue Zahl sei nicht bekannt, verlautete aus Unternehmenskreisen. Eine Untersuchung solle nähere Aufschlüsse bringen.
Wie die Zeitung El País berichtet, hat die Zentralregierung in Madrid den spanischen Staatsanwalt beauftragt, Entschädigungsforderungen an den VW-Konzern vorzubereiten. Der Grund für die Forderungen seien die Fördermittel von je 1000 Euro, die das Industrieministerium für den Kauf von VW-Fahrzeugen mit dem manipulierten Euro-5-Dieselmotor gezahlt habe, zitiert El País den spanischen Industrieminister José Manuel Soria. Volkswagen habe die Käufer getäuscht und sein Einverständnis für die Rückzahlung der Fördermittel erklärt, sagte der Minister. Er unterstrich, dass Spanien bis auf Weiteres die bereits erteilte Zulassung von Fahrzeugen mit Dieselmotoren, die zwischen dem 1. September 2015 und dem 31. August 2016 untersucht würden, aussetze.
Volkswagen selbst habe den Verkauf von 3320 Fahrzeugen mit den fraglichen Dieselmotoren in Spanien gestoppt. Die Autos der Marken Audi, Skoda, Seat und VW blieben solange im Lager, bis der VW-Konzern eine technische Lösung für das Abgasproblem gefunden habe, schreibt El País.
Spaniens Industrieminister betonte, dass die Verantwortlichen von VW der spanischen Regierung den Erhalt der Werke in Navarra und Barcelona sowie die bereits angekündigte Investition von drei Milliarden Euro in Spanien zugesichert hätten.
Nach der Veröffentlichung einer Untersuchung der Universität von West Virginia in den USA hatte Volkswagen Anfang September zugegeben, über Jahre die Ergebnisse von Abgastests bei Dieselmotoren manipuliert zu haben. Dabei wurde eine Software verwendet, die die Emissionswerte schönt. Sie erkennt, wann der Wagen im Prüfmodus ist und optimiert dann die Abgasaufbereitung so, dass möglichst wenig Stickoxide (NOx) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb überschreiten die Autos die Emissionsgrenzen um das bis zu 40-Fache. Nach Angaben des VW-Konzerns sind weltweit etwa elf Millionen Dieselfahrzeuge, die zwischen 2009 und 2015 verkauft worden sind, betroffen. In Deutschland sollen 2,8 Millionen VW-Fahrzeuge manipuliert worden sein. Wie viele Autos in Spanien betroffen sind, steht noch nicht fest. Die spanische Konzerntochter Seat hat bekannt gegeben, dass sie insgesamt 700.000 Fahrzeuge mit dem manipulierten Dieselmotor EA 189 verkauft hat, etwa 140.000 davon in Spanien.
(Aus MM 40/2015)