Alex Fraile ist einfach nur froh, nach 15 Monaten erzwungenen Nichtstuns endlich wieder arbeiten zu können. Eben hat die Reiseführerin ein paar Urlaubern, die am Morgen per Kreuzfahrtschiff auf der Insel gelandet waren, Palma gezeigt. Jetzt steht sie gemeinsam mit ihren Kollegen Carmen Papamancea und Paul Patrovsky am Hafen und sieht zufrieden aus. "Wir Reiseführer sind total abhängig von dieser Art Tourismus", sagt Fraile, die auch Sprecherin der Initiative "Si als Creuers" ist. "Und nicht nur wir: Genauso die Bus- und Taxifahrer, der Einzelhandel, die Gastronomie."
Nachdem die Zentralregierung das Verbot internationaler Kreuzfahrten, das seit März 2020 in Kraft war, vor einigen Wochen aufgehoben hat, erlebt die Insel nun den Neustart dieser Branche. Laut Hafenbehörde steuern allein im Monat Juli 15 Kreuzfahrtschiffe die Insel an.
Zum Vergleich: Im Juli 2019, dem letzten Sommer vor der Pandemie, waren es 78. Noch also geht es beschaulich zu im Hafen von Palma.
Dennoch flammt der Streit um den Kreuzfahrttourismus auf Mallorca sogleich wieder auf.
Knapp 100 Protestler versammelten sich Mitte Juni bei Nieselregen an der Kathedrale, um eine Regulierung des Aufkommens im Hafen zu fordern. Es war der Tag, an dem das erste Kreuzfahrtschiff seit eineinviertel Jahren in Palma festgemacht hatte - mit 1000 Touristen an Bord. "Wir brauchen eine Begrenzung der Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die gleichzeitig in Palma anlegen dürfen", sagt der Aktivist Joan Forteza. "Wir müssen weg vom Massentourismus."
19 Organisationen - darunter vor allem Anwohnervereinigungen und Umweltschutzgruppen - hatten zum Protest aufgerufen und ein seitenlanges Manifest vorbereitet. Schon vor zwei Jahren habe man von der Balearen-Regierung ein Moratorium gefordert, um zunächst einmal die tatsächliche Kapazität der Insel für diese Art Tourismus und die Folgen, die er für die Bewohner hat, zu untersuchen.
"Es kann nicht sein, dass wir unsere Stadt überhaupt nicht mehr genießen können, wenn an einem Tag bis zu sieben Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen liegen und sich tausende Touristen durch die Innenstadt drängeln", sagt Forteza.
Vor allem die Auswirkungen auf die Umwelt haben den Kreuzfahrttourismus in den vergangenen Jahren auf Mallorca in Verruf gebracht. Im Juni 2019 etwa veröffentlichte die europäische Umweltschutzvereinigung Transport & Environment eine Studie zur Luftqualität. Der zufolge ist Palma nach Barcelona die europäische Hafenstadt mit der höchsten auf den Kreuzfahrttourismus zurückzuführenden Luftverschmutzung.
Der NABU etwa forderte damals die betroffenen Städte auf, "schnellstmöglich dreckige Schiffe aus ihren Häfen zu verbannen." Zudem müsse die Abnahme von Landstrom aus erneuerbaren Quellen zur Pflicht werden.
"Denn es ist nicht hinnehmbar, dass die Kreuzfahrtbranche weiterhin unerhörte Verschmutzungsprivilegien genießt."
Auch der hohe Wasserverbrauch der Kreuzfahrtschiffe ist auf Mallorca ein Aufregerthema. Im Juni 2020 veröffentlichten Forscher der Balearen-Universität eine Untersuchung zum Thema. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass jedes Kreuzfahrtschiff, das in Palma seinen Start- und Zielhafen hat, im Durchschnitt 628.000 Liter Wasser verbraucht. Bei den Schiffen, die hier nur Station machen, sind es immerhin noch 69.000 Liter.
In der Branche ist man sich der Probleme durchaus bewusst. So heißt es beispielsweise beim Kreuzfahrtanbieter Aida Cruises auf Anfrage: "Wir haben verstanden, dass nur, wenn Kreuzfahrt ein willkommener und von den Menschen akzeptierter Wirtschaftszweig ist, diese Menschen unseren Gästen authentische und nachhaltige Erlebnisse vermitteln können, sodass sie gerne wiederkommen." Deshalb bemühe man sich darum, nachhaltige Konzepte zu entwickeln, die Menschen vor Ort einzubinden und die lokale Wirtschaft zu stärken. Geplant sei auch, verstärkt auf erdgasbetriebene Schiffe zu setzen, die weniger Schadstoffe freisetzen. Gleichzeitig weist das Unternehmen aber auch darauf hin, dass "Spanien und damit Palma de Mallorca als eines der Hauptzielgebiete der Aida-Schiffe" zu den wichtigsten Ländern Europas gehört, "in denen Aida zur Wertschöpfung beiträgt".
Wie viel Geld die Kreuzfahrt-Urlauber bei ihren kurzen Landgängen tatsächlich auf der Insel lassen, ist eines der weiteren Streitthemen zwischen Gegnern und Befürwortern dieser Art Tourismus. Während Reiseführer, Taxifahrer, Pferdekutscher, Eis- und Souvenirverkäufer froh sind, wenn möglichst viel Laufkundschaft in Palmas Altstadt unterwegs ist, sehen das Aktivisten wie Joan Forteza anders.
"Wir müssen den Kreuzfahrttourismus regulieren, damit auch wir Lust auf diese Art Tourismus haben und nicht nur die, die davon leben", sagt er. Neben einer deutlichen Anhebung der Urlaubersteuer für Kreuzfahrttouristen, fordern er und seine Mitstreiter, dass maximal ein Schiff am Tag in Palma festmachen solle.
Einer Untersuchung der balearischen Handelskammer zufolge, der Daten aus dem Jahr 2015 zugrunde liegen, sorgt die Branche auf den Balearen jährlich für Einnahmen von knapp 260 Millionen Euro, was etwa einem Prozent des Bruttosozialproduktes entspreche.
Der Kreuzfahrttourismus sichere auf diese Weise mehr als 5700 Arbeitsplätze. Jeder Passagier gebe durchschnittlich etwa 70 Euro an Land aus. Im Falle von Kreuzfahrten, die in Palma starten und enden, sind es sogar 155 Euro. Ob das die negativen Auswirkungen des Kreuzfahrttourismus aufwiegt? Da gehen die Meinungen weit auseinander.
Für Alex Fraile ist die Sache jedenfalls klar: Die Insel kann es sich nicht leisten, diese Art Tourismus zu vergraulen, findet sie. "Es ist einfach, zu allem Nein zu sagen. Wer gegen die Kreuzfahrtschiffe ist, soll das mal den Leuten erklären, die monatelang zu Hause gesessen haben und nicht arbeiten konnten."
(aus MM 28/2021)