Mallorca Magazin: Herr Seifert, Sie waren von 1981 bis 2009 Chefredakteur des Mallorca Magazins. Was war Ihr bewegendster Moment?
Wolfram Seifert: Eindrücklich war mit Sicherheit, als nach dem Fall der Mauer die ersten Ostdeutschen auf die Insel kamen. Mediterranes Leben war ihnen fremd. Wir haben eine Spendenaktion für sie gestartet, aber irgendwie hat niemand etwas geben wollen. Offenbar haben sich viele gedacht: Den Ostdeutschen reicht die Freiheit.
MM: Welche andere Ereignisse waren während Ihrer Zeit beim MM prägend?
Seifert: Da sind auch die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001. Wir haben umfassend berichtet und Reaktionen von Mallorquinern eingeholt. Nach dem Attentat folgte eine weltweite wirtschaftliche Unsicherheit. Bei uns ist der Verkauf von Anzeigen eingebrochen. Die Lage war jedoch nicht so dramatisch, als dass wir Mitarbeiter hätten entlassen müssen.
MM: Immer wieder sind deutsche Politiker nach Mallorca gekommen. Welche Stippvisite ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Seifert: Ich habe mal Gerhard Schröder – als er noch Ministerpräsident von Niedersachsen war – in seinem Urlaubsort im Südosten Mallorcas besucht. Im Gegenzug habe ich ihn auf eine Party zu mir nach Hause eingeladen. Nach einem Okay von seiner Frau schaute er tatsächlich vorbei und viele Gäste waren überrascht. Schröder hat sechs, sieben Stunden mitgefeiert.
MM: Wie hat sich das Mallorca Magazin im Laufe der Jahre verändert?
Seifert: In den 80er-Jahren schrieben die Redakteure noch auf Schreibmaschinen und unsere Redaktion befand sich im Carrer Sant Feliu in Palmas Altstadt. Das Büro, das zunächst im Wesentlichen aus einer Mitarbeiterin und mir bestand, war im ersten Stock einer Garage angesiedelt. Eine Leiter führte dort hinauf, weshalb wir noch heute gern vom „Hühnerstall” sprechen. Gegenüber, in einem Raum von zwei mal drei Meter Größe, saß die Anzeigen- und Vertriebsabteilung. Niedlich war auch die Druckerei, die sich in einem Nebenraum befand. Die gerade mal zehn Meter lange Maschine konnte maximal 32 Seiten drucken.
MM: Die technische Entwicklung brachte dann auch das Mallorca Magazin voran.
Seifert: Die Kapazität der Maschine war Mitte der 80er Jahre erschöpft. Seither wird das Magazin auf den beiden mehr als 40 Meter langen Rotationen der Schwesterzeitung „Ultima Hora” gedruckt. 32 Seiten Blattumfang reichten rasch nicht mehr aus. In der Spitze in den 1990er und 2000er Jahren erreichte die Zeitung Umfänge von bis zu 160 Seiten. Für die Produktion nutzten wir längst modernste Computertechnik. Gleichzeitig wuchsen Redaktion und Verlag.
MM: Inwiefern haben sich die Leser verändert?
Seifert: Touristen waren immer ein Nebeneffekt für das Mallorca Magazin. Es richtete sich immer zunächst an die auf der Insel fest oder zeitweise wohnenden Deutschen. Sie interessiert, wann in ihrem Ort Markt ist, wofür sie Steuern zahlen müssen und welche Straßen neu gebaut werden. Der Veranstaltungskalender ist ein wichtiger Teil. Im Anzeigenteil konnten sie einen Handwerker finden oder sich selbst als einer anbieten.
MM: Welche Aufgabe hat das Mallorca Magazin heute?
Seifert: Es soll Deutsche und Mallorquiner verbinden und versöhnen. Viele Mallorquiner denken, wir Deutsche kaufen ihre Insel auf. Das ist auf der einen Seite richtig, mehr als zehn Prozent der Fläche gehören Deutschen. Andererseits verkaufen die Mallorquiner gerne Land und freuen sich über das Geld.
MM: Wie sehen Sie das Verhältnis der beiden Gruppen generell?
Seifert: Es gibt viele, die sich bestens verstehen. Oft werden aus Nachbarn Freunde. Manche Deutsche kapseln sich aber ab, weshalb man generell nebeneinanderher lebt.
MM: Was ist das Besondere an einer deutschen Lokalzeitung in Spanien?
Seifert: Mal abgesehen vom Wetter: Auf Mallorca liegen die Themen auf der Straße – oder kommen in Gestalt von prominenten Besuchern eingeflogen. Keine Zeitung in Deutschland kann in ihrem Lokalteil so viele Prominente interviewen: Schauspieler, Sport- und Showstars, Wirtschaftsbosse sowie Politiker bis hin zu Bundeskanzler und Bundespräsident.
MM: Bevor Sie nach Mallorca gekommen sind, waren Sie Chef vom Dienst bei der Zeitung „Die Welt” in Bonn. Was raten Sie jemandem, der Journalist werden möchte?
Seifert: Der erste Schritt ist sicher, ein Praktikum bei einer Zeitung oder einem Radiosender zu machen. Der zweite, kontinuierlich für ein Medium etwa als freier Mitarbeiter zu arbeiten. Ein Volontariat, also eine Ausbildung zum Redakteur habe ich damals nicht gebraucht. Das ist heute der klassische Einstieg in den Beruf.
Zur Person: Wolfram Seifert
Der 75-Jährige kaufte sich 1971 ein Haus in Peguera. Von 1981 an lebte der gebürtige Göttinger fest auf der Insel: Er nahm ein Jahr zuvor ein Angebot an, auf Mallorca ein deutsches Radio zu führen. Wenig später lernte er den Verleger des Mallorca Magazins, Pedro A. Serra, kennen. Seifert und er entwarfen ein neues Konzept der Zeitung und der Deutsche wurde Redaktionsleiter. Das wurde ohne Vertrag, nur per Handschlag, besiegelt. 1997 berief Seifert Bernd Jogalla als seinen Nachfolger und wurde Redaktiondirektor. 2009 ging Seifert in den Ruhestand; er lebt mit seiner Frau in Palma und hat eine Tochter.