Mein Gott müssen diese Kinder gelitten haben! Das ist der erste Gedanke, den man als Betrachter der Galerie des "Schreckens" im ehemaligen Wasserreservoir des Landsitzes "Sa Bassa Blanca" hat.
Nein, nein die super-interessante Dauerausstellung von Kindern und Säuglingen in Öl gemalt (zum grössten Teil aus dem 16. und 17. Jahrhundert) ist kein Frankenstein-Horrorkabinett!
Aber: Die exzellenten Ölgemälde legen Zeugnis ab von der Rolle, die Kinder damals spielten - nämlich so gut wie keine. Sie waren zum Leidwesen der Familien NOCH nicht erwachsen. DAS versuchten Mütter und Ammen so zu kaschieren: Sie pressten, zwangen und schnürten diejenigen Kinder, die schon stehen konnten, in Luxusroben und Anzüge aus feinster Seide und Spitze wie sie damals für Erwachsene Mode waren. Den Babies erging es nicht viel besser: Sie wurden gottserbärmlich-stramm in Bandagen gewickelt - zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Auf einem Gemälde hängt eine dieser mitleiderregenden Kreaturen wie ein totes Stück Holz im Arm der Mutter.
Die Sammlung des Museums "Sa Bassa Blanca" (mit Expertise und wachen Augen in 3 Jahrzehnten von Yannick und Ben Jakober zusammengetragen) ist ein wahrhaft faszinierender Spiegel von Sitten, Gebräuchen und vom Umgang mit Kindern in längst vergangenen Zeiten!
Resultat: Beim Gang durch die Ausstellung im unteridischen Ex-Wasserreservoir schwankt man zwischen Lächeln und Traurigkeit beim Betrachten der auf erwachsen getrimmten Kinder. Keine Spur von Kindlichkeit!
Klar ist, warum nicht ein einziges Kind lächelt oder gar fröhlich dreinschaut. Sie wirken alle trotz ihrer prächtigen Gewänder wie dressierte Marionetten.
Zum Beispiel dieser arme kleine Kerl mit den traurig-ängstlichen Augen: Er ist kaum grösser als der Hund neben ihm! Pummelig steht der Junge, barfuss und gekleidet in ein lachhaft "erwachsenes" Outfit aus scharlachrotem Samt mit einem Barett mit übergrosser Feder auf dem kindlichen Kopf!
Exzellent in Öl gemalt vom holländischen Künstler Adriaen-Cornelisz Beeldmaker (1618-1709). Aber ER wie fast all die anderen Maler der Kinderporträts im "Sa Bassa Blanca-Museum" hatte die "Zensur" der Sitten und Gebräuche seiner Zeit im Kopf: Kinder sind uninteressant und eher lästig. Kinder werden als kleine Erwachsene, als dressierte, seelenlose Wesen dargestellt. Und Punkt!!!
Beim Betrachten wird mir zum ersten Mal klar, dass DAMALS alles anders war. Es gab keine Baby -oder Kinderkleidung, es gab nur die Verkleinerung der Erwachsenen-Kleidung! Und deshalb wirken all die Wesen auf den Ölgemälden wie verkleidete Mini-Erwachsene.
Aber gerade deshalb ist die Ausstellung ein wirkliches Faszinosum!!!
Zitate aus "Eine kleine Geschichte der Kindheit" von Hans-Peter Wipplinger klären auf: "Bis in die Renaissance waren Kinder wenig geschätzt.....Erst im 16. Jahrhundert finden wir die ersten einzelfigürlichen Kinderbildnisse......Auch diese zeigen die Kinder jedoch nicht als eigenständige Persönlichkeiten, sondern in das Korsett höfischer Daseinsnormen gezwängte Geschöpfe..."
Wenn SIE also Lust haben, einen spannenden Spaziergang durch einen Teil der Geschichte der Kindheit zu machen, gehen Sie auf Spurensuche ins Museum "Sa Bassa Blanca"! Dort finden Sie nicht nur Kinderbildnisse, sondern ein magisches Anwesen sozusagen als zauberhafte "Beigabe".
Von Alcudia aus fahren Sie in Richtung Mal Pas, nehmen Sie am ersten kleinen Kreisverkehr die erste Abfahrt (Schild!) und wappnen Sie sich mit Geduld, viel Geduld. Ca. vier km holperige Staubpiste liegt vor Ihnen...Folgen Sie dem Schild "Fundacion Yannick&Ben Jakober". Irgendwann blitzt auf der rechten Seite weit unten das Meer.
Aber es geht noch weiter: Auch wenn Sie das Gefühl haben, auf einer einsamen verlassenen "Insel" zu sein. Kaum zu glauben: keine Touristen weit und breit!
Am Ende der Fahrt tut sich ein grosses eisernes Tor auf und ganz bald sehen Sie von weitem eine "Fata Morgana"...Da liegt ein weisser, arabisch anmutender Palast mit Zinnen wie aus Tausendundeiner Nacht - 1978 entworfen von dem berühmten ägyptischen Archikekten Hassan Fathy.
Beginnen Sie nicht gleich mit den Ausstellungen (Kinderbildnisse sowie zeitgenössiche-moderne Kunst), machen Sie als erstes einen Spaziergang durch die vielen verschiedenen Gärten. Ein Juwel: der Rosengarten. Flanieren Sie in Ruhe und geniessen Sie diesen magischen Ort mit Kunst&Flora&Fauna!
Bitte unbedingt vorab anrufen. Man spricht ausgezeichnetes Deutsch. Und es werden Führungen in deutscher und englischer Sprache angeboten. Es gibt einen schönen Museums-Shop und eine kleine Cafeteria! Die Telefonnummer der Stiftung:971-549880. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag. Dienstags ohne Führung und Voranmeldung: Eintritt FREI! 9:30 bis 12:30 und 14:30 bis 17:30!
Ich wünsche Ihnen viel Freude und Genuss in der "Fata Morgana" Sa Bassa Blanca!!!
Herzliche Saludos
Ihre Beate