Die Krise der vergangenen Jahre hat Spanien zweifellos hart getroffen: die Wirtschaft dümpelt vor sich hin, die Arbeitslosigkeit liegt immer noch auf Rekordniveau, immer mehr Menschen leben am Existenzminimum. So schlimm das auch ist, letztendlich sind dies nicht die größten Probleme dieses Landes. Die Krise hat nämlich noch viel tiefer Liegendes zutage gefördert: Spanien steht vor einer Zerreißprobe. Das zeigen zum einen die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien, deren Ausgang vollkommen ungewiss ist. Fest steht nur: Viele Katalanen, Basken, Galicier – sogar eine wachsende Zahl der Mallorquiner – würden sich lieber heute als morgen von diesem Staat lossagen. Die Fliehkräfte sind so stark wie noch nie.
Dass der Fortbestand dieses Landes, so wie es jetzt ist, infrage gestellt ist, das zeigt auch der eindrucksvolle Aufstieg, den die Protestpartei Podemos in den vergangenen Monaten hingelegt hat. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung hat ganz offensichtlich den Glauben an diesen Staat und seine Institutionen verloren. Daran sind vor allem die Politiker schuld, die wegen Geldverschwendung, persönlicher Bereicherung im Amt und Korruption in die Schlagzeilen geraten. So etwas hat es in Spanien zwar schon immer gegeben, angesichts der Krise aber ist die Toleranzgrenze der Bürger spürbar gesunken. Kein Wunder also, dass Podemos vor allem einen neuen Politikstil verspricht. Mehr Transparenz, strenge Regeln gegen Korruption, klare ethische Maßstäbe, an denen sich alle Inhaber öffentlicher Ämter zu orientieren haben, stärkere Beteiligung der Bürger an den Entscheidungsprozessen – nur so ist das Vertrauen der Menschen wiederzugewinnen, was wiederum eine Voraussetzung für das Funktionieren dieses Staates ist.
Und so ist es letztlich eine willkommene Zerreißprobe, vor der Spanien nun steht. Knapp 40 Jahre nach dem Ende der Diktatur hat sich das damals gewählte Modell des Übergangs erledigt. Es hat seinen Zweck erfüllt: Spanien ist längst eine stabile Demokratie. Was das Land jetzt braucht, ist ein Neuanfang.