Ruhig wird es in diesem Jahr unterm Tannenbaum zugehen. Höchstens sechs Personen aus zwei Familien dürfen sich auf Mallorca zu Weihnachten zusammenfinden. Angesichts dieser Beschränkungen dürften sich die meisten ihre Mitfeiernden mit viel Bedacht aussuchen. Und das hat durchaus positive Nebenwirkungen. Die Corona-Weihnacht bietet die Möglichkeit, die Feiertage mit seiner Wahlverwandschaft zu genießen, ohne den ein oder anderen anstrengenden Familienangehörigen, der sonst aus Pflichtbewusstsein eingeladen wurde und der Stimmung eher abträglich war.
Das Downsizing zum Fest kann auch in anderer Hinsicht entspannend wirken. Tagelange Kochaktionen für ein Verwandtensammelsurium, das einmal im Jahr aus allen Himmelsrichtungen ins eigene Heim einfiel, und kräftezehrende Shoppingtouren fallen in diesem Jahr aus. Die Begrenzung des Fests ermöglicht es, die Weihnachtsgäste frei nach dem Motto „Weniger ist mehr” kulinarisch, geschenketechnisch und emotional ausgiebig zu verwöhnen.
Der Wunsch nach entschleunigten und weniger konsumorientierten Festtagen gehörte in coronafreien Jahren fast zum guten Ton. Tipps zur Reduzierung des Weihnachtsstresses, pychologische Ratschläge zum Umgang mit unliebsamen Familienmitgliedern oder Diätempfehlungen nach mehrtägigen kulinarischen Marathons füllten in den Gazetten regelmäßig das Themenloch zum Jahresende.
Weihnachten schien für so manchen eher eine lästige Tradition, eine Pflichtveranstaltung, die man so gut es eben ging, abhakte. Umso erstaunlicher, dass der Heilige Abend in Coronazeiten im Sentimentalitätsranking ganz nach oben geschossen ist. Das geschrumpfte Fest erscheint in manchen deutschen Medien fast wie der Untergang des Abendlands.
Dabei ist es ein wenig wie mit der Ausgangssperre, als weniger Verkehr und Konsum zu einem Lebenstil führten, den sich viele zumindest in der Theorie gerne auf die Fahnen schreiben. In diesem Jahr bietet sich die Chance, den Wunsch nach einem besseren Weihnachten in die Praxis umzusetzen.
Autorin: Maike Schulte