Mit zwei gewichtigen Spätwerken – Brahms‘ Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester und Mozarts letzter Sinfonie – kehrten die Sommerkonzerte der Balearensinfoniker nach der Coronapause am gestrigen Donnerstag an ihre angestammte Spielstätte, den Innenhof von Schloss Bellver, zurück. Und mit zwei Solisten von Weltruhm: für das Brahmskonzert hatte Chefdirigent Pablo Mielgo den Meistergeiger Pinchas Zukerman und die Cellistin Amanda Forsyth für ein Gastspiel in der Balearenmetropole gewinnen können. Vom ersten Takt an war klar: eine sommerliche Serenade sollte es nicht werden. Dafür ein packender Abend mit zwei Meilensteinen der Musikgeschichte.
1887 hatte Brahms seine beiden Klavierkonzerte und das Violinkonzert bereits geschrieben, war als Komponist längst im Bewusstsein des Publikums „angekommen“ und hatte es nicht mehr nötig, irgendwelche Zugeständnisse an den Zeitgeschmack zu machen. Das kantige Motto, das er seinem op. 102 voranstellte – ein absteigender punktierter Rhythmus, gefolgt von aufsteigenden Vierteltriolen – machte klar: hier kommt jemand „zur Sache“, ohne einschmeichelnde Verbindlichkeiten, ohne den „Köder“ einer lieblichen Melodie. Und noch vor der eigentlichen Orchesterexposition kamen auch die beiden Solisten in einer Doppelkadenz zur Sache: sowohl Zukerman als auch Forsyth meldeten ihren Anspruch auf die Führungsrolle in diesem musikalischen Dialog überaus tonschön, mit kraftvollem Bogenstrich an. Und sie ließen auch hören, dass bei der Ausgestaltung der beiden Soloparts der Geiger Joseph Joachim, Brahms-Freund seit frühen Tagen, Pate gestanden hatte. (Brahms selbst kam vom Klavier her.) Virtuos, aber keineswegs vordergründig selbstdarstellerisch, sondern im Dienste der strengen Satztechnik des Komponisten wurden sie allen Schwierigkeiten gerecht, ohne dass es je gewollt, mühsam oder konstruiert wirkte. Es war vielmehr eine natürliche Spielfreude, die, vor allem im Finale mit seinen fast ungarisierenden Zügen Brahms‘ detailverliebte Kompositionsweise vergessen ließ. Das hatte Elan und einen fast übermütigen Impetus. Mielgo hätte in einem Interview, das er Martin Breuninger (MM Nr. 27 vom 30.06.) gab, nicht extra betonen zu brauchen, dass der mittlerweile 73jährige Pinchas Zukerman „nichts von seinen violinistischen Fähigkeiten verloren“ habe: die ungebrochene Virtuosität, gepaart mit langjähriger Erfahrung, teilte sich dem Publikum in jeder Phrase, die er spielte, mit. So war denn der Applaus für ihn und seine Partnerin am Ende auch überaus herzlich und langanhaltend.
Nach der Pause dann Mozarts Jupitersinfonie, KV 551. Auch dieses Werk stellt seinen epochalen Charakter bereits in den ersten vier Takten in den Raum: drei Akkorde, wie Ausrufezeichen, gefolgt von einer aufwärtsstrebenden Streicherkantilene, vier Takte, die das Prinzip der Gegensätzlichkeit, das in der klassischen Sonatenform vorherrschte, in mehrfacher Weise ausdrücken. Mielgos Dirigat nahm fast die beiden Peitschenhiebe zu Beginn von Beethovens Eroica, anderthalb Jahrzehnte später, vorweg, die – so hat Leonard Bernstein das einmal formuliert – die ganze rokokohafte Verbindlichkeit in Scherben schlagen: Aufbruch in eine neue Zeit, in Musik gesetzt von einem in faustischer Manier vorwärtsstrebenden Komponisten. Diese Aufbruchsstimmung wird dann endgültig im Finale deutlich. Mozart setzt sich ein letztes Mal mit der barocken Polyphonie auseinander, indem er unglaubliche vier(!) Themen in durchaus Bach’scher Manier miteinander verflicht – um dann am Schluss endgültig den Sieg klassischer homophoner Kompositionstechnik zu feiern. Unter Mielgos dynamischer Leitung gestaltete sich dieser Prozess geradezu rauschhaft. Der ganze letzte Satz geriet so zu einer atemberaubenden Tour de force, himmelstürmend und vor Energie fast berstend.
Dass ein so endender Abend frenetisch beklatsch wird, versteht sich von selbst.