Klavierrecitals sind in Palma eher selten. Während in vergleichbaren deutschen Großstädten sich die Klaviergrößen der Welt im Abonnement die Klinke in die Hand geben, gastieren in der Inselhauptstadt zwei, wenn’s hochkommt, drei Elitepianisten pro Jahr. Am kommenden Sonntag, 27.November, ist es der kroatische Extrempianist Ivo Pogorelich, der das Publikum im Auditorium auf eine Reise durch Chopins Spätwerk mitnimmt.
Seinen fulminanten Karrierestart, 1980, verdankte er nicht einem 1.Preis beim Chopinwettbewerb, sondern dem Umstand, dass ihn die Juroren nicht für die Endrunde zuließen, worauf u.a. Martha Argerich und Nikita Magaloff unter Protest die Jury verließen , weil sie der Meinung waren, dass Pogorelich „auf höchstem Niveau spiele, wie das wohl kaum sonst jemand auf der Welt heute kann.“ Der war damit ein gemachter Mann, startete seinen Siegeszug durch die Konzertsäle der Welt und bekam einen Exklusiv-Vertrag bei der Deutschen Grammophon. Dort machte er mit einer Mozart-CD Furore, die aufhorchen – und ob der Maniriertheit seines Spiels ebenso schnell wieder weghören ließ. Das Publikum liebte ihn, die Kritiker zum Teil weniger: zu exaltiert, zu viel Pogorelich anstatt Werktreue. Irgendwann wurde es still um ihn, er zog sich aus der Konzertszene zurück. Nun ist er zurück und hat zur Tournee, die am 21.Oktober in Tarragona begonnen hatte und ihn - nach Palma – noch über Italien, Japan, Belgien, Frankreich und noch einmal Spanien nach München führen wird, ein Album mit späten Werken Chopins aufgenommen.
Daraus spielt er am kommenden Sonntag die Fantasie in f-moll op. 49 und die dritte Klaviersonate. Plus eine Barcarolle, eine Berceuse und die Polonaise Fantaisie op.61. In die Fantasie und in die Sonate können Sie bei YouTube schon mal reinhören: klicken Sie für die Fantasie hier; die Sonate gibt’s unter diesem Link.
„Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal, damit das Pack drauf rumlatscht!“ schrieb Gottfried Benn 1912 in dem Gedicht „Nachtcafé“. Wenn Benn damit die triviale Sichtweise beispielsweise der berüchtigten „höheren Töchter“ auf das Werk Chopins gemeint hat, oder mit „Pack“ auf die Leute anspielte, die beim cis-moll-Walzer oder bei der Nocturne op.9,2 innere Kuhaugen kriegen, können wir dem Pogorelich-Abend beruhigt entgegensehen: diese Klientel wird er nicht bedienen. Seine Programmauswahl zeigt, was er vorhat: nicht den Salonkomponisten – der Chopin natürlich auch war – will er präsentieren, sondern den Mann, der sein ganzes Ich in die 88 Tasten des Klaviers gepackt hat, über dessen op.2 Schumann einst schrieb „Hut ab ihr Herren, ein Genie!“ Parfüm und Sentimentalität haben da nichts zu suchen. Weder in der Barcarolle op.60, noch in der Berceuse op.57. Und schon gar nicht in der dritten (und letzten) Sonate, op.58. Alle diese Stück lassen keine verniedlichende Verkitschung zu, die man Chopin oft antut. Dazu sind sie zu streng in ihrer Diktion. Die Sonate, das Hauptwerk des Abends, folgt mit ihrem viersätzigen Aufbau der Sonatensatzform der Wiener Klassik, wie sie zum Beispiel Beethoven oft angewandt hat. Die anderen Stücke das Programms zeigen den Meister der kleinen Formen, der Chopin in erster Linie war. - Es könnte ein großer Abend werden. Wir sind gespannt. Karten gibt’s online. Klicken Sie hier.