Das Motto des gestrigen Konzerts in Palmas Auditorium, „Passió de Juventut“ (Leidenschaft der Jugend) passte in doppelter Hinsicht: die beiden Interpreten des Abends, Mallorcas Geigenwunder Francisco Fullana und der chinesische Dirigent Perry So gehören beide der jüngeren Generation aufstrebender Klassik-Stars an. Und die beiden Hauptwerke, Szymanowskis 1.Violinkonzert von 1916 und Prokofievs erstes Ballett, „Chout“ aus dem Jahr 1915 entstammen der Sturm-und-Drang-Phase ihrer jugendlichen Schöpfer. Nur das kurze Eröffnungsstück, „Subito con forza“ der mittlerweise 61-jährigen südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin tanzte da etwas aus der Reihe.
„Sofort mit Nachdruck“, wie die deutsche Übersetzung des Titels lautet, kam das 2020 zu Beethovens 250.Geburtstag komponierte Stück auch gleich zur Sache: mit Beethoven’schem Ungestüm zitierte es den Anfang der Coriolan-Ouvertüre. Später erklang dann auch das berühmte Ta-ta-ta-taa aus der Fünften, in der Gestalt, die es im dritten Satz der sogenannten Schicksalssinfonie annimmt. Insgesamt war es eine Huldigung an den bisweilen etwas chaotisch wirkenden Impetus des Wiener Klassikers. Für das Orchester, das durch die exotische Instrumentation von Anfang an gefordert wurde, war es beileibe kein „Aufwärmstück“ – und für das Publikum eher eine Einstimmung in die harte Kost des Szymanowski-Konzerts als ein sanftes Hineingleiten in das musikalische Geschehen des Abends.
Für das Violinkonzert des Polen (1882-1937) hatten sich in Fullana und So zwei gefunden, die der Aufbruchsstimmung der mittleren Schaffensperiode des Komponisten mit Temperament und Spielfreude Gestalt verliehen. Expressionistische Härten verbanden sich mit dem Auskosten der luxuriös schillernden Instrumentation, das schroffe „Nicht weiter so“ mit der fast ein wenig dekadenten Klanglichkeit der Jugendstil-Ästhetik. Auch in den Kantilenen haftete Fullanas Spiel nie etwas Süßliches an. Perry So dirigierte mit expressiver, ausladender und manchmal fast ein wenig zu theatralischer Gestik den Orchesterpart eines der ersten „modernen“ Violinkonzerte der Musikgeschichte. Die Abkehr von tonalen Bezügen machte den Abschied von spätromantischer Stimmung, der noch Richard Strauss in seinen sinfonischen Dichtungen gehuldigt hatte, fast schmerzhaft deutlich: hier gab es kein Zurück mehr, eine neue Zeit hatte begonnen.
Der Applaus stellte sich erst ein, als Fullana sich verbeugte. Ihm und seinem grandiosen Spiel galten auch die Bravorufe, für die er sich mit der Gavotte (in Rondoform) aus Bachs dritter Partita bedankte und so dem Publikum nach der aufwühlenden Expressivität des Violinkonzerts noch einen besänftigenden Ohrwurm mit auf den Nachhauseweg gab. (Nachzuhören auf Fullanas neuer CD)
Nach der Pause dann die 35-minütige Suite nach Prokofvievs erstem Diaghilew-Ballett „Chout“ (der Narr). In ihren zwölf Nummern wurde Perry So fast selbst zum Tänzer: Ausdruckstanz á la Bernstein, der das Orchester zu rhythmischer Verve inspirierte und das Publikum in den Sog russischer, an Strawinsky erinnernder Urgewalt hineinriss. Hier kochten Emotionen hoch, die Szymanowski in seiner brachialen Sachlichkeit vermieden hatte. Herzlicher Beifall für das Debüt des Chinesen bei den Sinfonikern.
Das nächste Abokonzert gibt’s am 21.Januar im Trui Teatre. Im Gegensatz zu gestern Abend ist es ein reiner Ohrenschmeichler: beginnend mit Ravels Bolero – dem Konzert-Ohrwurm schlechthin – über Gershwins Rhapsody in Blue bis hin zu Beethovens zweiter Sinfonie werden die Sinfoniker unter Pablo Mielgo und das Mezquida-Trio dem Publikum ein Programm für Geist und Gemüt bieten. Karten fürs Trui Teatre (das Konzert wird davor noch am 17.01. im Teatre Principal de Mahon/Menorca und am 20.01. im Auditorium von Manacor aufgeführt) gibt’s hier, eine Konzerteinführung können Sie ab Montag an dieser Stelle lesen.