Was Marcus Bosch mit einem handverlesenen Ensemble aus etablierten Wagnersängerinnen- und Sängern und den Balearensinfonikern gestern Abend im Trui Teatre auf die Bühne gezaubert hat, war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen war es für viele wahrscheinlich eine Erstbegegnung mit dem Genie aus Bayreuth – Wagner gehört ja nicht gerade zu den Hauskomponisten der Mallorquiner; zum andren ist eine derartige Weltklasse-Besetzung auch in Palma, wo sich in den letzten Jahren zunehmend Spitzenmusiker die Klinke in die Hand geben, nicht alltäglich.
Mit der Sopranistin Manuela Uhl als Sieglinde, dem Tenor Daniel Kirch als Siegmund und Randall Jakobsh als Hunding erklang zunächst der 1.Akt der „Walküre“. Siegmunds letzter Satz „So blühe denn Wälsungen-Blut!“ war das Motto des gesamten musikalischen Geschehens: rund um das durchweg mit größtmöglicher Textverständlichkeit deklamierende Sängerensemble brachte Bosch die raffiniert orchestrierte Partitur mit ihren sinnlich-bildhaften Klangkombinationen in einer beglückenden Perfektion zum Blühen, die noch vor zehn Jahren mit diesem Orchester nicht machbar gewesen wäre. Bei aller Klangmächtigkeit und Strahlkraft (vor allem des Blechs) blieb der Sound stets transparent. Im Interview hatte Bosch betont, er sehe Wagner „durch die schlanke Brille“, und genau damit ließ er die Weihrauchnebel verdampfen, die in so vielen Aufführungen das musikalische Geschehen eintrüben und verdunkeln. Dabei vermied er mit der rhythmischen Stringenz, mit der er die Partitur anging, dass am Ende ein verniedlichender „Wagner light“ herauskam. Die narkotische Wirkung der Wagnerschen Klangästhetik blieb erhalten und es erfüllte sich, was der Dirigent erhofft hatte: diese „Walküre“ geriet zur Einstiegsdroge für Wagner-Neulinge und machte bereits Wagner verfallenen „alten Hasen“ wieder deutlich, warum sie diese Musik lieben.
Hatte bereits die mit Mitteln der minimal music gestaltete Gewitterszene am Anfang die zukunftsweisende Modernität von Wagners Musiksprache ins Gedächtnis gerufen, so wurde das nach der Pause mit einem kleinen Trick noch einmal bestätigt: dem Kernstück des zweiten Teil, „Wotans Abschied“, hatte Bosch Arnold Schönbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielszene, op.34, vorangestellt und damit illustriert, was aus der „Keimzelle“ des Wagnerschen Gesamtkunstwerks in der Folge erwachsen konnte und erwachsen war. Wagner als Inspiration für die Filmkomponisten, bis zum heutigen Tag.
Bereits zu den letzten Schönberg-Takten, auf die nahtlos wieder Wagner folgte, betrat Wotan James Rutherford (der für den ursprünglich vorgesehenen, aber leider erkrankten Michael Volle eingesprungen war) die Bühne. Er gestaltete des Gottes Abschied von seiner Lieblingstochter – laut Bosch eine der schönsten Musiken, die je geschrieben wurde – zu einer bewegenden Szene und beschloss damit einen ohne Abstriche beglückenden Wagner-Abend, der vom Publikum entsprechend enthusiastisch gefeiert wurde. Bitte mehr davon, gerne mit Marcus Bosch als spiritus rector.
Das nächste Abokonzert findet am Donnerstag, 20.04., im Auditorium statt. Unter der Leitung von Pablo Mielgo spielt das Orchester das 3.Violinkonzert von Camille Saint-Saëns und die 7.Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch, die sogenannte „Leningrader“. Zu letzterer gibt’s am 18.04. im Saal der Kulturstiftung Sa Nostra eine Einführungsveranstaltung. Karten für das Konzert wie immer hier.