Folgen Sie uns F Y T I R

Konzertführer: Die 7.Sinfonie von Schostakowitsch am 20.04. im Auditorium

|

Dmitri Schostakowitsch ist zweifellos einer der ganz Großen der neueren Musik. Seine 7.Sinfonie, die sogenannten„Leningrader“, gehört, zusammen mit denen von Gustav Mahler, zu den bedeutendsten Werken dieser Gattung, die das 20.Jahrhundert hervorgebracht hat. Sein Leben war eine Achterbahnfahrt, ein Tanz auf dem Vulkan, immer zwischen Anerkennung und Verdammung durch das stalinistische Terrorregime. In seinem Werk liegen Propagandamurks und todesmutiger Protest eng beieinander. Gleich der Geniestreich seiner 1.Sinfonie wurde kurz nach seiner Uraufführung ein Welterfolg und von Größen wie Bruno Walter und Arturo Toscanini dirigiert; Alban Berg schickte einen Gratulationsbrief.

Sein größter Erfolg ist mit einer der größten Tragödien des 20.Jahrhunderts verbunden, der Belagerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht. 900 Tage, eine Million Tote. Diesen hat Schostakowitsch seine 7.Sinfonie gewidmet, eine Bekenntnismusik sondergleichen. Formal traditionell – Schostakowitsch scherte sich sein Leben lang nicht um neutönerische Ansätze, er verlängerte die Tonsprache der Jahrhundertwende um weitere Jahrzehnte und machte da weiter, wo Mahler aufgehört hatte. Und ähnlich wie bei Mahler trugen die vier Sätze programmatische Untertitel, die der Komponist später allerdings wieder verwarf.

Das Eröffnungsthema des ersten Satzes wird gemeinhin als Spiegel der Vorkriegsidylle gesehen, in der die Welt noch in Ordnung war. (Aber ganz in Ordnung ist die Welt bei Schostakowitsch nie, nicht einmal in dem berühmten Walzer aus der zweiten Jazz-Suite, auch er ist von zarter Melancholie überschattet.) – Dann folgt, anstelle der Durchführung, das zentrale Thema, das Invasionsthema. Es beginnt ganz harmlos, mit einem Rhythmus der kleinen Trommel, pianissimo, ähnlich wie Ravels Bolero. Die zweite Phrase dieses Themas basiert auf einem Operettenschlager, genauer gesagt auf der Melodie „Heut geh ich ins Maxim“ aus der „Lustigen Witwe“, Hitlers Lieblingsoperette. So geht Faschismuskritik bei Schostakowitsch!

Ähnlich wie bei Ravel steigert sich dieses Invasionsthema, die Instrumentierung wird üppiger, die Monotonie nimmt durch das permanente Crescendo bedrohliche Züge an, bis es schließlich in einer gewaltigen Klimax die ganze Katastrophe deutlich werden lässt. – Dieser erste Satz ist, nicht zuletzt dadurch, dass Schostakowitsch darin vorführt, wie sich aus spießiger Operettenseligkeit das radikal Böse und Bedrohliche entwickelt, das Kernstück der „Leningrader“. Eindrücklicher lassen sich die Abgründe von Diktaturen nicht darstellen. Diese gigantische Entwicklung kann einen bis in den Schlaf verfolgen. Die Größe und Bedeutung dieser Musik wurde auch schnell weltweit erkannt: nach der (von Stalin zu propagandistischen Zwecken organisierten) Uraufführung am 5.März 1942 erkannte auch der Westen ihre Sprengkraft, am 22.Juni dirigierte Sir Henry Wood das Werk in London, die erste Aufführung in den USA fand, unter Arturo Toscanini mit dem NBC Symphony Orchestra, am 19.Juli in New York statt. Die deutsche Erstaufführung dirigierte 1946 Sergiu Celibidache in Berlin.

Die Sinfonie wurde zum Symbol des Antifaschismus, dabei wurde der Bolero-Teil als Parodie auf die deutschen Angreifer interpretiert. Man kann aber das für Schostakowitsch typische Groteske ebenso gut als gegen russische Kommunisten und Stalin persönlich gerichtet wahrnehmen.

Am morgigen Donnerstag dirigiert Pablo Mielgo die „Leningrader“ im Auditorium. Vor der Pause spielt die Geigerin Alexandra Conunova das dritte Violinkonzert von Camille Saint-Saëns. Karten gibt’s hier. Das dreisprachige Programmheft zu diesem Konzert ist auch bereits online abrufbar.

Meistgelesen