Die ersten beiden Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts waren der Aufbruch der europäischen Musik in ein neues Zeitalter. Angefacht wurde das Feuer dieser Revolution von Debussy, Strawinsky, Ravel und anderen Großmeistern dieser aufregenden Zeit. Gestern Abend blies Pablo Mielgo, bestens gelaunt aus der Sommerpause zurückgekehrt, im Trui Teatre diesen frischen Wind, der zwischen 1910 und 1920 durch die Konzertsäle fegte, einem begeisterten Publikum um die Ohren. Die Stücke der beiden Protagonisten, Maurice Ravel und Manuel de Falla, angesiedelt zwischen Ballettsuite und Sinfonischer Dichtung, offenbarten die ganze Klangmagie, die dieser Musik des Aufbruchs innewohnt. Die Sinfoniker waren in Bestform, vor allem die Holzbläser durften glänzen.
Dem Konzert ging eine Einführung des Musikologen und Journalisten Pere Estelrich im Foyer des Theaters voraus. In der gut gemachten PowerPoint-Präsentation informierte der Autor, dem man anmerkte, dass er für die Musik „brannte“, über das Wesen des Impressionismus, den Begriff „Suite“ sowie Leben und Werk von Ravel und de Falla. Es war eine gute Idee, diese Einführung diesmal an den Ort des Konzerts zu legen. So musste man nicht, wie in der Vergangenheit, eigens in die Stadt fahren und konnte zwischen Vortrag und Konzertbeginn das Gehörte in der Kantine des benachbarten La Salle-Collegio bei einem Kaffee noch einmal Revue passieren lassen. Eine weniger gute Idee war es, den Vortrag auf Katalan zu halten. Die Weltsprache Spanisch wäre – für ein internationales Publikum – angebrachter gewesen.
Gleich das erste Werk, das zauberhafte Kinderballett „Ma mere l’oye“, zog das Publikum in den Bann von Ravels sublimer Instrumentations-Kunst. Ein Klang, in dem man schwelgen konnte, zumal wenn man noch die Wiedergabe in Estelrichs Präsentation auf einer – vorsichtig ausgedrückt – bescheidenen Tonanlage im Ohr hatte. Es gibt eben Musik, die nur live auf der Konzertbühne richtig zur Geltung kommt. Selbst eine teure Stereoanlage kann das, was Mielgo aus der Partitur herausholt, nicht adäquat wiedergeben. Diffizile Schattierungen im Piano, effektvoll gestaltete Steigerungen, der rauschhafte Klang im Fortissimo: all das, was den Mielgo-Sound ausmacht, würde in der Konserve auf Abziehbild-Format schrumpfen. Geradezu märchnhaft die Klangatmosphäre im letzten Stück der Suite, „Le jardin féerique“. Magisch, wie das Kontrafagott den Hörer in der Szene „Les Entretiens de la Belle et la Bête“ förmlich anspringt. – Manuel de Fallas „El amor brujo“ (gestern Abend in der Version von 1925) ist etwas handfester orchestriert, spanisch-herb statt französisch elegant , gleichwohl raffiniert durchdacht. Auch hier waren die Sinfoniker in ihrem Element.
Nach der Pause dann zunächst „Le tombeau de Couperin“ von Ravel. In der viersätzigen Suite – ursprünglich für Klavier komponiert – ließ der Komponist des Geist des französischen Barock-Komponisten François Couperin im Klanggewand der neuen Zeit wieder auferstehen. Die im Vergleich mit dem eingangs gespielten Kinderballett strenge Beachtung der Form (ein Menuett bleibt eben auch in impressionistischer Verkleidung ein Menuett, ein Rigaudon ein Rigaudon!) zeigte, dass auch die Komponisten des frühen 20.Jahrhunderts die Tradition keineswegs gering achteten. Sie gossen alten Wein in neue Schläuche und schufen Zeitgemäßes. – Klanglicher Höhepunkt des Konzerts, von Mielgo geschickt ans Ende platziert, war die 2.Suite aus El sombrero de tres picos“. In den drei Tänzen vereinigten sich Folkloristische, packende Rhythmen und eine rauschhafte Orchestrierung zu einem fulminanten Schluss des Abends. Der Applaus war überwältigend. – Das nächste Konzert, wieder im Trui Teatre, findet erst am 30.November statt. Zwei Highlights des 19.Jahrhunderts stehen auf dem Programm: das zweite Klavierkonzert von Chopin und Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“. Am Pult wird wieder Pablo Mielgo stehen. Karten wie immer hier.