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Konzertkritik: Entfesseltes Grauen im Trui Teatre

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Wie geht Mozart im 21.Jahrhundert? Seit die Vertreter der „historisch informierten“ Aufführungspraxis ihm jeden Anflug von Gefälligkeit und kulinarischem Wohlklang auszutreiben versuchen und ihn gnadenlos analytisch, aufgeraut und mit allen Ecken und Kanten exekutieren, scheiden sich an dieser Frage die Geister. Und jeder Dirigent muss sie für sich entscheiden. Pablo González führte gestern Abend im Trui Teatre die Sinfonie Nr.31 auf, die nach ihrem Entstehungsort „Pariser Sinfonie“ genannt wird. Mozart wollte mit dieser Sinfonie das Pariser Publikum für sich gewinnen. Dazu wählte er die größte Besetzung, für die er je geschrieben hatte. Keine Frage, da darf man auch heute noch ein wenig auf die Pauke hauen.

Und das tat González denn auch. Mit raffinierten Crescendi (das erste ließ gleich im dritten Takt bei den aufsteigenden Sechzehnteln aufhorchen) versuchte er die Dramaturgie des ersten Satzes aufzupeppen. Mit suggestiven, etwas zackigen Bewegungen kitzelte er eine Steigerung nach der anderen aus dem Orchester heraus, immer mehr das Rhythmische als das Melodische im Fokus. Aber alles klang ein wenig fahl, auf Vibrato, das Farbe und Fülle ins Spiel gebracht hätte, verzichtete er konsequent. Und verhinderte damit den Wohlfühleffekt, wie ihn beispielsweise die London Mozart Players so unnachahmlich auf die Bühne zaubern. Vor allem im Andante hätte man sich etwas mehr Verbindlichkeit gewünscht, mehr Sinnlichkeit, in der man hätte schwelgen können. So blieb die Aufführung bei allem Temperament, das González in sein Dirigat investierte, merkwürdig distanziert und asketisch-intellektuell. Auch der Überraschungseffekt im Finale (Takt 9), der beim Premierenpublikum seinerzeit spontanen Beifall ausgelöst hatte, verpuffte ungenutzt. – Nach 18 Minuten wurde man in die Pause entlassen und hatte ein wenig den Eindruck, der Mozart habe nur zum „Warmspielen“ für den Berlioz gedient.

Das war aber offensichtlich geglückt. Die Symphonie fantastique überzeugte mit der ganzen entfesselten Magie, die der Partitur innewohnt. Die „Träume und Leidenschaften“ des ersten Satzes gerieten zum Fiebertraum einer unter Drogen stehenden Künstlerexistenz, das Leitmotiv für die Geliebte (siehe meine Einführung) wurde innerhalb eines packenden Psychodramas bis an die Grenzen des Wahnsinns transformiert. – Auch wenn sich im zweiten Satze, der Ballszene, mancher vielleicht einen etwas lieblicheren Tonfall gewünscht hätte, machte González‘ Lesart Sinn: als sozusagen zweiter Akt des Dramas und nicht als entspannendes Zwischenspiel. - Die „Szene auf dem Lande“ leitete bedrohlich-beklemmend zur Katastrophe des vierten Satzes, der Hinrichtung, über. Das Finale, das man als Musik zu einem Horrorfilm hören kann, geriet zu einer Orgie des Dunklen, Dämonischen, abgründig Spukhaften. Die Totenglocken drangen durch Mark und Bein, und wie die beiden Tubisten das Dies irae intonierten, das muss ihnen erst mal jemand nachmachen. Die Coda schließlich zog das Publikum vollends in diesen Strudel des Abgrunds, mit dem die Sinfonie endet. Ganz großes Kino in virtuoser Vollendung. Entsprechend enthusiastisch feierten die Zuhörer Orchester und Dirigent. – Am kommenden Donnerstag dirigiert Pablo Mielgo im Teatre Principal das diesjährige Weihnachtskonzert der Sinfoniker mit einem abwechslungsreichen Programm, Karten gibt’s hier.

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