Neue Möglichkeiten für Therapeuten und Klienten
Vor ein paar Minuten habe ich die letzte Sitzung für diese Woche beendet. Der Klient hat über seine aktuelle Situation, seine Ängste und die Auswirkungen unserer Gespräche auf sein Befinden berichtet. Zum Abschluss konnte der Klient noch bei einer geführten Trance-Reise entspannen und das Resümee unserer Sitzung integrieren. Dass das so einfach möglich ist, hätte ich vor wenigen Jahren selbst nicht gedacht. Während ich auf Mallorca in der Palma Clinic bin, befand sich mein Klient während der Sitzung nämlich am Bodensee, zu Hause, auf seinem Sofa. Wir waren verbunden über eine spezielle Software und das Internet. Zu den vereinbarten Zeiten treffen wir uns und führen unsere Gespräche, wie gesagt, auch hypnotherapeutische Interventionen, wie Trance-Reisen, sind möglich.
Dieser Klient ist kein Einzelfall, ich arbeite mit sehr vielen Menschen online. Sei es, weil sie in Deutschland wohnen, und ich auf Mallorca, sei es, weil sie aktuell auf Reisen sind und weiter mit mir verbunden bleiben wollen, oder weil sie Teilzeit in Deutschland und auf Mallorca leben. Möglich geworden ist diese Form der therapeutischen Begleitung für mich erst durch die besonderen Herausforderungen der Pandemie. Natürlich wusste ich, dass es einige Kollegen gab, die schon eine Weile ihre Klienten auf diese Weise behandelt haben. Für mich kam das aber nie in Betracht. Ich konnte mir nicht vorstellen, "nur" digital mit meinen Klienten verbunden zu sein. Irgendwann kam dann die Auflage, auch therapeutische Sitzungen nur noch mit Maske durchzuführen. Es erschien mir unmöglich, mit Klienten zu arbeiten, deren Gesicht ich nicht sehen konnte und die auch meines nicht sehen sollten. Also sah ich mich gezwungen, diese Form der Online-Beratung auszuprobieren. Zunächst arbeitete ich nur mit Klienten, die mich bereits persönlich kannten, es sollte ja lediglich eine vorübergehende Lösung sein.
Als dann die ersten positiven Rückmeldungen kamen, dass es großartig sei, zeitlich so flexibel zu sein, da ja An- und Abfahrt wegfallen würden und es überhaupt sehr gut wäre, nach einer aufwühlenden Sitzung direkt auf dem Sofa eine Pause machen zu können, gefiel mir die Idee immer besser, und ich probierte gemeinsam mit meinen Klienten auch Interventionen aus, die normalerweise in Präsenz durchgeführt werden. Auch das funktionierte sehr gut, und bald begleitete ich auch Menschen aus anderen Orten in Deutschland, für die eine Anreise nur schwer möglich gewesen wäre. Mit der Zeit arbeitete ich mit Klienten aus ganz Deutschland. Auch Klienten, die auf Reisen waren, mussten auf meine Beratung nicht verzichten. Die größte räumliche Distanz hatte ich mit einer Klientin, die quer durch Südostasien reiste und mit der ich online Gespräche führte, als sie gerade auf den Philippinen war. Die technischen Möglichkeiten begeisterten mich sehr und letztendlich war ich froh darüber, durch die Umstände der Pandemie gezwungen worden zu sein, diese Art der Beratung auszuprobieren.
Im Jahr 2022 berichtete der "Spiegel" in einem Interview mit der psychologischen Psychotherapeutin Kathrin Schallenberg darüber. Dort heißt es, dass Videotherapie für all jene richtig und wichtig ist, die psychisch oder körperlich so eingeschränkt sind, dass sie es aktuell oder auch grundsätzlich nicht zur Praxis schaffen. Auch Patienten, die in ländlichen Regionen leben, sparen eine Menge Benzin und somit auch Geld, wenn sie nicht in die Praxis kommen müssen. Menschen, die umgezogen oder ins Auslandssemester gegangen sind, müssen ihren Therapeuten nicht wechseln, die Videotherapie ermöglicht eine kontinuierliche Versorgung. Studien haben gezeigt, dass die Video- der Präsenzpsychotherapie in ihrer Wirksamkeit nicht unterlegen, sondern gleich gut ist. Da keine körperlichen Untersuchungen vorgenommen werden müssen, ist Psychotherapie gut per Video durchführbar. Bei erforderlichen körperlichen Untersuchungen kooperieren die Therapeuten ohnehin mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen am Ort der Patienten, die diese übernehmen.
Natürlich ist es schwieriger, Trost und Mitgefühl am Bildschirm zu übermitteln, auch kann ich kein Glas Wasser oder ein Taschentuch anbieten. Aber ich kann natürlich die Selbstfürsorge des Klienten aktivieren und ihn dazu einladen, wenn ich das Gefühl habe, dass es beispielsweise erforderlich ist, eine kurze Atempause einzulegen oder Raum zu geben für Emotionen, wie Ärger oder Trauer. Und sollte der Klient ein Haustier haben, kann ich auch diesen "Hilfstherapeuten" mit ins Boot holen. Vielen Klienten ist es eine große Beruhigung, wenn sie in schweren Momenten ihre Katze oder ihren Hund zu sich rufen und streicheln können. Gerade Menschen, die ich in Trauerprozessen begleite, haben mir oft rückgemeldet, dass es eine Erleichterung ist, wenn sie nach einer tränenreichen Sitzung nicht erst wieder in die Welt hinausmüssen, sondern sich zu Hause auf ihrem Sofa einkuscheln können.
Trotz aller Vorteile ist es aber wichtig zu sagen, dass Online-Therapie und -Beratung nicht für jeden Klienten geeignet sind. Vielmehr gibt es auch immer noch Menschen, die sehr gerne in die Praxis kommen möchten. Wenn jemand zu Hause Konflikte in der Partnerschaft erlebt oder keine ruhige Gesprächssituation möglich ist, möchte er oder sie von dort aus vielleicht nicht sprechen. Wieder andere sagen einfach: Ich mag es lieber persönlich. Das Wichtigste ist, die eigenen Vorlieben anzuerkennen und umzusetzen. Wie kann und möchte jemand am besten an seinen Themen arbeiten, in seinen Prozessen begleitet werden?
Für meine Klienten und mich ist es eine absolute Bereicherung, diese (auch) online unterstützen zu können, selbst wenn ich sie vielleicht erst im späteren Verlauf der Behandlung persönlich kennenlernen kann. Einige Klienten haben anlässlich eines Aufenthalts auf Mallorca eine erste Sitzung wahrgenommen und die Begleitung dann online weitergeführt. Und es ist tatsächlich so, dass die meisten Klienten nach wenigen Minuten ganz vergessen haben, dass wir uns nicht in einem Raum befinden. Aufmerksamkeit, Empathie und Mitgefühl sind auch fühlbar, wenn man sich "nur" digital in die Augen schauen kann. In diesem Sinne.