Der Dirigent Paavo Järvi hat kürzlich in einem Interview gesagt, die Bedingung für ein gelungenes Konzert sei die unbedingte Verbundenheit aller Beteiligten, ein Gemeinschafts-Flow, wenn man so will. Diese Voraussetzung schien gestern Abend im ersten Teil des zweiten Abonnementskonzerts im Auditorium zumindest teilweise nicht gegeben. Das lag sicher weder an Gidon Kremer, noch an Pablo Mielgo, noch an den Sinfonikern, sondern eher am Werk, das sie aufführten.
Das Violinkonzert von Victor Kissine ist von der kompositorischen Anlage her zu wenig auf ein musikalisches Miteinander angelegt, wie es das Prinzip des Solokonzerts fordert. Die Violine steht dem groß besetzten Orchesterapparat über weite Strecken blockhaft gegenüber, es gibt allenfalls bisweilen eine Art Frage- und Antwortspiel. Zweifellos von Kremer „schön« intonierte Stellen kommunizieren nicht mit dem Rest, außerdem fehlt dem etwas sperrigen Werk der Drive, der alle in diesen von Järvi angesprochenen Flow hineinreißen könnte. Das Ganze wirkt wie eine Aneinanderreihung thematisch-motivischer Bausteine, die im Verlauf des Stückes keine Entwicklung erfahren. Das erweckt den Eindruck von Stagnation, und wo es an Dynamik fehlt, kann auch keine rechte Spielfreude aufkommen und damit auch beim Publikum nicht das Gefühl des mitgerissen-Seins. So wurde die Darbietung pflichtschuldig beklatscht, der Applaus steigerte sich nach der Zugabe, die immerhin klarmachte, dass Kremer ein Großer seines Fachs ist. Man ging mit gemischten Gefühlen in die Pause, erfüllt von Bewunderung für die Leistung des Solisten, aber nicht wirklich berührt von einem emotionalen Großereignis. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn Kremer das ursprünglich und im Saisonprogramm noch angekündigte Violinkonzert von Mieczyslaw Weinberg gespielt hätte, das ebenso zu seinem Kernrepertoire gehört und von dem es eine vortreffliche Aufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig gibt...
Das Bild änderte sich grundlegend nach der Pause. Mit den vier Stücken aus dem ersten Heft von Albéniz‘ „Iberia« kehrte die im ersten Teil vermisste Spielfreude zurück. Der Spanier Pablo Mielgo war bei der Musik seines Landsmannes in seinem Element und riss seine Musikerinnen und Musiker zu Höchstleistungen mit. Die Streicher schwelgten in jenem samtenen Klang, für den sie mittlerweile berühmt sind. Die Holzbläser erblühten in einem geradezu luxuriösen Sound, das Blech funkelte in strahlendem Glanz. Hier spürte man das synchrone Atmen aller im packenden Rhythmus der Partitur, der „Flow« übertrug sich auch aufs Publikum
Das steigerte sich mit den „Danzas fantásticas« von Joaquín Turina noch einmal deutlich. Sie sind noch üppiger instrumentiert als die ursprünglich für Klavier geschriebenen Charakterstücke aus „Iberia«. Mielgo und das OSIB präsentierten sie in einem luxuriösen Cinemascope- Breitwand-Sound, stellte das tänzerische Element in den Vordergrund riss damit das Publikum in seligen Taumel, überstrahlt von der Sonne Südspaniens (Turina stammt aus Sevilla) . -
Das nächste Abokonzert am 12.Dezember bietet drei absolute Highlights des sinfonischen Repertoires: die Ouvertüre zu „Don Giavanni« und das 23. Klavierkonzert (A-dur, KV488) von Mozart und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung in der genialen Instrumentierung von Maurice Ravel. Den Solopart im Mozartkonzert übernimmt die 20-jährige Pianistin Eva Gevorgyan (kurze Biografie hier), das OSIB spielt unter seinem Chef Pablo Mielgo. Karten wie immer online auf der Webseite des Auditoriums und an der Abendkasse.