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Konzertkritik: Tanz mit dem Teufel und kontemplative Erbauung

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Ein spannendes Programm begeisterte gestern Abend das Publikum im ausverkauften Teatre Principal: der aus Mallorca stammende Dirigent José María Moreno dirigierte Webers „Freischütz«-Ouvertüre, die „Lieder eines fahrenden Gesellen« von Gustav Mahler und das „Requiem for the Living« des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten Dan Forrest (*1978). Ihm zur Seite standen die Sopranistin Vanessa Goikoetxea und – im Requiem – der Knabensopran Adrià Sánchez und der Chor Capella Mallorquina.

Vom ersten Takt der „Freischütz«-Ouvertüre an vermittelte Moreno Dynamik, gepaart mit der Präzision einer sinnfälligen Zeichengebung. Das Samiel-Motiv und die „düstren Mächte« gerieten zu einem Tanz mit dem Teufel, und den Happy-End-Schluss zelebrierte der temperamentgeladene Spanier mit einer theatralischen Suggestivkraft, die selbst Leonard Bernstein den Rang eines Maestro des modernen Ausdruckstanzes ablaufen zu wollen schien. Dass dabei das fine-tuning etwas auf der Strecke blieb – geschenkt: der Flow, in den das Publikum versetzt wurde, entschädigte für so manches nicht bis zur letzten Sechzehntel ausgearbeitete Detail.

Vanessa Goikoetxea ist in erster Linie Opernsängerin. Zu ihren jüngsten Erfolgen zählen unter anderem – Puccinis Tosca, die Sifare in Mozarts „Mitridate und die Donna Anna im „Don Giovanni«. Das kam den „Liedern eines fahrenden Gesellen« sehr zugute, die ja nichts anderes sind als verkappte Opernszenen. Da darf man schon mal auf die Tube drücken, solange die Deutlichkeit der Deklamation nicht auf der Strecke bleibt. Davon konnte gestern Abend keine Rede sein: in nahezu akzentfreiem Deutsch artikulierte die Sängerin mit überzeugender Präzision. Die Melodien in dem Zyklus sind oft von volksliedhaften Charakter geprägt, was den einfachen, naturnahen Stil unterstreicht. Gleichzeitig sind sie expressiv und emotional geladen. Die Melodie in „Ging heut’ Morgen über’s Feld« ist ansprechend und beschwingt, was die Hoffnung und Freude des wandernden Gesellen illustriert, während die Melodie in „Die zwei blauen Augen von meinem Schatz« ruhig und kontemplativ ist und die Resignation des Protagonisten zum Ausdruck bringt. - Mahler nutzt die Orchestrierung, um Stimmungen und Emotionen zu erzeugen. Das Orchester spielt eine zentrale Rolle, die über die bloße Begleitung hinausgeht. Moreno holte aus der effektvollen Instrumentierung alles heraus, was an emotionalem Gehalt drinsteckt.

Das „Requiem for the Living« von Dan Forrest aus dem Jahr 2013 zeigt auf beeindruckende Weise, dass auch im 21. Jahrhundert hörbare Musik ohne elektronische Mätzchen und destruktive avantgardistische Verfremdung komponiert werden kann. Anders als sein älterer Kollege Karl Jenkins – ein Vergleich mit dessen Requiem aus dem Jahr 2005 drängt sich förmlich auf – biedert sich Forrest sich nicht dem Massengeschmack an: der Text kombiniert traditionelle lateinische Requiemtexte mit Bibelstellen aus Ecclesiastes und dem Buch Hiob, während Jenkins damals moderne japanische Haiku-Gedichte einbaut. Und wo Jenkins' Requiem stilistisch eine Mischung aus westlicher und östlicher Musiktraditionen darstellt, mit Einsatz von orientalischen Instrumenten wie dem Shak ist, widersteht Forrest derlei Trend-Anpassung. Das tut der Schlagkraft seiner Musik indes keinerlei Abbruch und lässt sie seriöser daherkommen. Bei Jenkins schimmert eben doch immer wieder sein populäres, pseudo-mystisches und irgendwie leicht kitschiges Stück „Adiemus« durch… - Chor und Orchester leisteten Großartiges, zu der Sopranistin gesellte sich noch ein Knabensopran, glockenhell gesungen von Adrià Sánchez. –

Das nächste Konzert findet am 20.Februar im Auditorium statt: F.J. Haydn, «La vera costanza» obertura, Hob.ia: 15; E.Bloch, «Schelmo» Rhapsodie Hébraïque para violonchelo und I.Stravinski, Consagración de la Primavera. Am Pult steht Pablo Mielgo, Karten gibt’s auf der Website des Auditoriums.

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