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Konzertkritik: Philosophie und wilder Expressionismus

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Nachdem sich das Publikum bei Haydns Ouvertüre zu „La vera costanza« noch behaglich zurücklehnen durfte, quasi um noch etwas Kraft zu tanken für die Rezeption der beiden Hauptwerke, Ernest Blochs „Schelomo« und Strawinskys „Sacre du Printemps«, ging‘s dann zur Sache: die äußerst komplexe Bloch-Partitur und noch mehr das radikal-expressionistische „Frühlingsopfer« verlangten den ganzen Zuhörer, strapazierten dessen Aufnahmevermögen genauso wie sie das Orchester bis an die Grenzen des Leistbaren forderten. Pablo Mielgo erwies sich als souveräner Guide durch diesen emotionsgeladenen Kosmos. In „Schelomo« wurde er dabei virtuos von der Cellistin Julia Hagen unterstützt.

Von den 15 Opern Haydns, fast alle für Esterházys Hoftheater geschrieben. Werden heute nur noch wenige aufgeführt. Allenfalls die eine oder andere Ouvertüre konnte sich in den Konzertsaal retten und wird da manchmal nur zum „Warmspielen« missbraucht. Mielgo nahm sich der buffonesken Partitur mit dem gleichen Ernst und der gleichen Sorgfalt an, die dann auch seine Interpretation der beiden Hauptwerke kennzeichneten. – „Schelomo« ist, ähnlich wie der „Zarathustra« von Richard Strauss, in Musik gesetzte Philosophie. Das dreiteilige Werk ist als Dialog zwischen dem Prediger Salomo (Cello) und dem Volk, von einem groß besetzten Orchester verkörpert, angelegt. Julia Hagen bot ihr ganzes (immenses) technisches Können auf, um das Anliegen des weisen Predigers zum musikalischen Ausdruck werden zu lassen. In ihren Händen ist das Cello eben kein „Stück Holz, das oben kreischt und unten knurrt«, wie Dvorak das einmal etwas süffisant formuliert hat. (Was ihn allerdings nicht daran hinderte, eines der bedeutendsten – und schönsten - Cellokonzerte der Romantik zu schreiben!) Nein, wenn Julia Hagen den Bogen führt, wird das Stück Holz zu einem beseelten Pendant zur menschlichen Stimme und berührt die Zuhörer mit warmer Emotionalität. Mielgo zügelte das aufbrandende und bisweilen auch aufrührerische Stimmengewirr des „Volkes«, das vom brillant aufspielenden Orchesters in Szene gesetzt wurde, ohne ihm seine Eindringlichkeit zu nehmen.

"Le sacre du Printemps" ist in zwei Teile gegliedert: "Die Anbetung der Erde" und "Das Opfer". Beide Teile sind geprägt von einer extremen rhythmischen Komplexität, unkonventionellen Harmonien und einer kraftvollen Orchestrierung. Strawinsky verwendet in diesem Werk eine Vielzahl von ungewöhnlichen Taktarten und Polyrhythmen, die das Gefühl von Unvorhers Dehbarkeit und Instabilität verstärken. Es ist ein Werk, das die Grenzen der Musik seiner Zeit gesprengt hat und bis heute als Meilenstein der Musikgeschichte gilt. Die revolutionäre Kraft dieses Balletts liegt in seiner Fähigkeit, die archaischen und elementaren Kräfte der Natur auf eine radikal neue Weise musikalisch darzustellen. "Le sacre du Printemps" bleibt ein beeindruckendes Beispiel für die unerschöpfliche Kreativität und den unermüdlichen Innovationsgeist von Igor Strawinsky. Die Stärke der gestrigen Aufführung lag vor allem darin, dass es Mielgo gelang, sowohl die raffinierte Konzeption als auch die barbarische Wildheit von Strawinskys Musik deutlich werden zu lassen. Die Urgewalt der Natur, um die es vor allem im ersten Teil geht, blies nahe der Schmerzgrenze zur Attacke auf die Trommelfelle und brachte den Saal zum Erbeben – das „Sacre« ist kein Stück für heimische Wohnzimmer, richtig erleben kann man es nur live, nur im Konzertsaal erschließt sich seine bahnbrechende Bedeutung. - Für das nächste Konzert am 27.Februar, eine von Pablo Mielgo geleitete sogenannte Balearen-Gala (freier Eintritt) gibt es noch wenige Karten auf der Webseite des Auditoriums.

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