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Atemlos durch die Nacht

MM schildert einen Tag im Leben von Playa-Star Tobee

"Blau wie das Meer" schmettert Tobee durch den Bierkönig, wo er alle zwei Wochen auftritt.

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Wenn um 7 Uhr in Kuchen im Filstal der Wecker klingelt, beginnt für Tobias Riether der Tag. Und er beginnt, wie er für die meisten Menschen beginnt, hier in der schwäbischen Einöde: Dusche, Kaffee, Brötchen. "Ich habe dort ein ganz normales Leben", sagt der Mann, der am Abend als "Tobee" an der Playa de Palma für Stimmung sorgen wird.

Irgendwann am Vormittag geht es dann ins 50 Kilometer entfernte Stuttgart. Tobias Riether ist auf den Mittagsflug nach Palma gebucht. Bei Air Berlin ist er mittlerweile Stammkunde, alle zwei Wochen fliegt er die Route. "Das wird irgendwann zur Gewohnheit, ich habe mittlerweile Silber-Status." Das spricht für viele gesammelte Meilen.

Seit acht Jahren ist Riether alias "Tobee" bereits "Bierkönig-Künstler", performt im 14-Tages-Rhythmus in dem Lokal an der Playa. Einige seiner Lieder haben es zu richtigen Ballermann-Hits geschafft. "Meinen Durchbruch hatte ich mit 'Lotusblume', einem Cover von den Flippers." Tatsächlich läuft das Lied in den Partyclubs an der Playa auf und ab.

In Palma angekommen führt ihn sein Weg zunächst direkt zum Bierkönig. Die Künstler werden in Apartments in unmittelbarer Nähe zu dem Lokal untergebracht, den sogenannten Künstler-WGs. "Ich teile mir dort eine Wohnung mit anderen Ballermann-Sängern, erst kürzlich mit Anna-Maria Zimmermann oder Schäfer Heinrich. Es herrscht eine sehr nette, kollegiale Atmosphäre. Den Nachmittag verbringe ich meist mit Joggen, esse eine Kleinigkeit in einem der Lokale, meistens in der "Krone".

Unentdeckt bleibt er nirgends. Ein "Hallo" hier, ein "Mensch, bist du schon wieder da" dort. "Ich kann vor meinen Auftritten nicht viel essen", sagt er und nagt an einem kleinen Schinkenbaguette, die Oliven legt er feinsäuberlich an den Tellerrand.

Wie das alles begann? "Ich habe irgendwann einen Song geschrieben, er hieß "Ina". Eine Demoversion habe ich zu meinen heutigen Produzenten Mike Rötgens und Hartmut Wessling nach Köln geschickt. Irgendwann riefen sie mich an und sagten: 'Wir machen das.' Das war der Anfang." "Lotusblume", "Banane, Zitrone", "Schlauchboot" und weitere Ballermannsongs sollten folgen. Im Bierkönig startete er mit einem Probe-Gig. "Heute sind es schon acht Jahre." Die Auswahl für den Abend steht noch nicht: "Das entscheiden wir immer spontan, zusammen mit DJ Düse vom Bierkönig"

Handyvibrieren: Eine SMS von besagtem Diskjockey: "Ich muss langsam los, der Auftritt wurde von 2:30 Uhr auf 2 Uhr vorverlegt. "Das ist oft so, je nach Stimmung starten wir mal früher, mal später." Aber seine klassische "DJ-Runde" vor dem Auftritt lässt sich Tobee nicht nehmen. "Ich klappere die Lokale ab und halte einen kurzen Schwatz mit den DJs. Das ist Kontaktpflege. Natürlich freuen wir uns auch immer, wenn wir uns sehen."

Es geht ins Oberbayern. Die Luft ist stickig und das Publikum "Ü50". "Man merkt, dass schon fast Oktober ist", sagt Tobee. "Im Hochsommer sind hier nur Jugendliche." Aber der 29-Jährige kommt auch bei dem älteren Publikum gut an. Zwei Frauen mit bunten Strähnen und Karoblusen bitten um ein Autogramm, just in dem Moment, in dem im Hintergrund seine "Lotusblume" läuft. Anschließend geht es in ein Hinterzimmer. An der Tür steht "privado". Tobee öffnet sie, ohne dem Schild Aufmerksamkeit zu schenken. Ein kurzes Shake-Hands mit den Jungs von der Band, die an dem Abend im Oberbayern auftritt. Konkurrenz sozusagen. "Aber nicht zeitgleich", sagt Tobee. "Um drei ist dann Peter Wackel dran. Meistens überschneiden sich die Auftritte nicht."

Im Bierkönig angekommen, es ist 1:09 Uhr, steht Tobee bei DJ Düse hinterm Mischpult. Ein kurzer Plausch, dann wird die Gitarre gestimmt: "Ich spiele einige meiner Lieder zuerst auf der Gitarre an, das kommt ganz gut an beim Publikum. Die meisten denken 'der kann ja noch mehr als nur singen." Kurz vor dem Auftritt überreicht ihm eine Blondine eine rote Rose, bei Tobee scheinen Frauenherzen höher zu schlagen. Doch Carolin, so ihr Name, stellt klar: Wir kennen uns von der Uni und haben uns heute hier verabredet." Von der Uni? Ja, denn Tobee studiert neben seiner Karriere als Ballermann-Barde Zahnmedizin in Ulm. "Trotzdem ist die Musik mein Ein und Alles. Sie hat einen ganz wichtigen Platz in meinem Leben."

Um Punkt zwei Uhr dann steigt der Künstler auf das kanzelartige Podium inmitten des Raumes. Exakt 40 Minuten heizt er der Menge ein. Von "Schlauchboot" über "Banane, Zitrone" bis zu seinem aktuellen Hit "Blau wie das Meer" gibt er fast alles zum Besten, was das Riethersche Repertoire hergibt. Und der Menge macht es Spaß. Ein junger Mann im Leoparden-Bademantel tanzt wild mit, kann sich aber kaum auf den Beinen halten. Bunte Trinkhalme an seinem Stehtisch sind die stummen Zeugen all der Getränke, die er an dem Abend schon zu sich genommen hat.

Ein kleiner übergewichtiger Mann mit hessischem Akzent ruft laut: "Tobee ist der Geilste, ich unterstütze ihn immer." Auf die Frage, wieviele seiner Konzerte er in Deutschland schon besucht hat, antwortet er: "Keines, das ist mir alles immer zu weit." Aber hier im Bierkönig gibt er alles. Überhaupt kann das Publikum fast jeden Song mitgrölen.

Irgendwann soll die Gitarre zum Einsatz kommen, aber sie versagt. "Düse, was ist los?" ruft Tobee, aber auch der DJ bekommt das Problem nicht behoben. Für den Sänger kein Problem. Er macht einfach weiter, und niemand stört sich daran. Am Ende bleiben zufriedene Bierkönig-Besucher zurück. Tobee ist erleichtert: "Klar, im August geht das Publikum mehr ab, aber es war okay", so sein Urteil. Es folgt eine Autogrammstunde, die mehr einer Selfie-Stunde gleicht. Junge und alte Fans wollen ein Erinnerungsfoto. Tobee bleibt. "Ich feiere anschließend mit den Leuten hier, die sind alle super drauf."

Als er den Bierkönig verlässt, ist es viertel nach sechs, und über der Playa geht die Sonne auf. Zwölf Stunden vor seinem Rückflug nach Deutschland und knapp 24 Stunden, nachdem der Wecker geklingelt hat, in Kuchen im Filstal, wo ihn sein Tonstudio, TV-Auftritte, aber vor allem sein "ganz normales Leben" erwarten.

(aus MM 40/2014)

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