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Ein europäischer Freidenker

MM im Gespräch mit dem ehemalige Extrembergsteiger Reinhold Messner

Fit gebliebener 70-Jähriger: Reinhold Messner in Camp de Mar.

Von Risikomanagement verstehen die Teilnehmer des mehrtägigen Kongresses der Internationalen StandortAkademie (isa) im Dorint Golf Resort & Spa Camp de Mar einiges, zu ihrem Networking-Event kommen jedes Jahr hochrangige Experten aus dem Wirtschafts- und Finanzwesen. Der diesjährige Stargast unter den Referenten hatte jedoch keine Finanztipps im Gepäck, sondern Geschichten, in denen man ein zu hohes Risiko mit dem Leben bezahlen kann: Extrembergsteiger Reinhold Messner. Der 70-Jährige klettert und riskiert heute weniger, engagiert sich dafür aber mehr politisch.

Mallorca Magazin: Sie haben ein Leben lang Extreme gesucht, gibt es etwas, das sie noch ausprobieren möchten?

Reinhold Messner: Nein, nein, nein. Ich befinde mich ja schon lange im Abstieg. Das heißt, ich habe noch kleinere Ziele, ich gehe immer mal wieder Klettern oder auf eine Expedition, aber mit kleineren Schwierigkeiten. Ich habe eingesehen, dass ich bestimmte Sachen nicht mehr machen kann. Es wäre ja dumm, mich im Alter umzubringen, nachdem ich ein Leben lang versucht habe, nicht umzukommen.

MM: Wie wär's mit der Idee, öfters nach Mallorca zu kommen?

Messner: Privat war ich nie da, und die Tramuntana habe ich nie erkundet, aber man hört, dass es ein schönes Wandergebiet sein soll. Die Berge sind ja nicht so klein.

MM: Was macht Reinhold Messner heute?

Messner: Ich habe andere Herausforderungen und Ziele, wie ein Museum und einen Film zu machen. Das Museum in Südtirol zum Thema Berg ist schon fertig, es läuft sehr gut.

MM: Sie sind gerade 70 geworden. Wenn man bedenkt, was sie Ihrem Körper alles zugemutet haben, wirken sie sehr gesund. Stimmt das?

Messer: Mir geht's noch gut, für mein Alter sogar sehr gut. Viele Leute, die in ihrem Leben nie etwas Höheres bestiegen haben als einen Barhocker, haben kaputte Knie und Rücken. Mir geht es relativ gut, wenn man bedenkt, was ich alles gemacht habe.

MM: Welche größeren Verletzungen hatten Sie?

Messner: Ich hab mir das Fersenbein zertümmert, aber das wurde wieder geflickt. Ich habe sieben Zehen verloren, ganz oder teilweise durch Erfrierung. Ansonsten muss ich nicht jammern.

MM: Ihr letztes Abenteuer war 2004 die Wanderung durch die Wüste Gobi...

Mesnner: Das wollte ich schon lange machen und habe es ans Ende meiner Grenzgängerei drangehängt. Das war damals noch möglich, würde ich heute aber nicht mehr schaffen. Das ist einfach zu hart: Es ist mal heiß, mal kalt, man schläft auf dem harten Boden.

MM: Wenn eins Ihrer vier Kinder sagen würde: Papa, ich möchte einen Achttausender erklimmen, was würden Sie ihm sagen?

Messner: Zuerst, dass es langweilig geworden ist, weil sämtliche Achttausender präpariert sind für den Tourismus. Mein Sohn klettert viel und gut. Das darf er, er ist ja erwachsen und tut, was er will. Aber er ist klug genug, zu studieren, weil er weiß, dass das Profitum für ihn nicht angenehm wäre.

MM: Sie waren für die Grünen im Europaparlament...

Messner: Nicht ganz. Ich war in Brüssel und Straßburg für Europa und nicht für die Grünen, ich war auch nicht in der Partei. Die Grünen haben mich zwar auf ihre Liste gesetzt, aber ich habe gesagt, nur wenn ich nicht in die Partei muss und völlig frei bleiben kann in meinen Gedanken. Ich bin ein liberalgrüner Denker, nicht wirtschaftsliberal, sondern ein Freidenker.

MM: In Deutschland feiert die AfD Erfolge, was halten Sie von denen?

Messner: Die liegen an den Rändern des politischen Spektrums, das gefällt mir nicht. Ich habe ein großes Problem mit extremen politischen Figuren, egal ob das links oder rechts ist, das wird am Ende das Gleiche. Jeder Fundamentalismus ist mir suspekt!

MM: Wie stehen Sie generell zu Europa?

Messner: Wir als Europäer haben keine andere Chance als ein gemeinsames Europa, und es gibt keinen Zweifel, dass es ein großartiges Lebensprojekt ist. Nur hat man den Euro zu schnell gemacht, man hat nicht bedacht, dass man die Leute auch vorbereiten muss auf ein gemeinsames Europa.

MM: Was wäre Ihre Vision Europas?

Messner: Die Nationalstaaten sind Fehlkonstruktionen, kein Nationalstaat ist im Grunde eine gesunde Angelegenheit. Er wird immer auf Emotionen aufgebaut, die am Ende zu Streitigkeiten führen. Jetzt haben wir aber nunmal die Nationalstaaten, die könnten wir als Brücken nutzen, um zu einem anderen gemeinsamen Ganzen zu kommen, dem Europa der Regionen. Die Nationalstaaten müssten dann Macht nach unten abgeben an die Regionen oder die Bundesländer und nach oben, an das gemeinsame Ganze. Im Moment ist das nicht möglich, weil die Menschen nicht europäisch denken.

MM: Wie europäisch fühlen Sie selbst?

Messner: Als Südtiroler bin ich eh ein Sonderfall. Ich bin Südtiroler, Europäer und Weltbürger, aber kein Italiener, Deutscher oder Österreicher. Ich habe kein nationales Selbstbewusstsein, nur ein regionales und europäisches. Wir als Südtiroler würden nicht mehr zwischen den Stühlen sitzen, wenn man Italien auflösen würde. Das gilt auch für Spanien. Kritiker sagen, wir kriegen es schon jetzt nicht hin, wie soll es mit kleineren Einheiten funktionieren. Im Moment ist Europa ein Jahrmarkt der Partikular-interessen. Wenn ich in Brüssel als Ministerpräsident von Italien gut dastehe, werde ich hinterher wiedergewählt. Es geht immer darum, dass man den "Brüsselern" die Stirn bietet. So kann es nicht funktionieren.

MM: Was hat Sie in der Politik am meisten überrascht?

Messner: In meinem Leben habe ich ja mehr oder weniger alleine entschieden und dafür die Verantwortung übernommen, während in der Politik die Überzeugungs- und Kompromissfähigkeit entscheidet. Wie das geht, Kompromisse zu finden, ist ein Handwerk und interessant zu sehen.

MM: Würden Sie noch einmal ein Mandat übernehmen?

Messner: Nein, sicher nicht, aber politisch bin ich immer noch tätig. Seit ich kein Mandat mehr habe, habe ich politisch eine stärkere Aussagekraft als vorher. Der Politiker ist nicht hoch angesehen. Das ist eigentlich nicht richtig: Es ist heute viel schwieriger Politik zu machen als vor 30 Jahren.

Die Fragen stellte MM-Redakteur Thomas Zapp.

(aus MM 40/2014)

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