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"Ich kann nicht grau werden"

Als sie ein Teenager war, fielen Jenny Latz die Haare aus. Sie brauchte Jahre, um diese Erfahrung verarbeiten zu können. Heute will die selbstbewusste Frau anderen helfen, die unter ihrer Glatze leiden. In Cala Rajada arbeitet die. 59-Jährige zurzeit an Buchprojekten und bereitet ein Seminar vor

Eine Perücke trägt sie nur selten: Jenny Latz Anfang der Woche an der Promenade von Cala Rajada.

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Wenn Jenny Latz im Café an der Promenade von Cala Rajada sitzt, dann guckt der eine oder andere Spaziergänger schon mal überrascht auf ihren Kopf. Die 59-Jährige stört das nicht, sie merkt es kaum, kennt diese Blicke seit Jahrzehnten. Jenny Latz hat keine Haare. Eine Perücke trägt sie nur selten, geht meistens "oben ohne", wie die Glatzenträgerin es selber ausdrückt.

Wahrscheinlich kennt die Mehrheit aller Deutschen, die stärker unter Haarausfall leiden, die Krefelderin. Denn Haarausfall und alles, was damit zusammenhängt, ist das Thema von Jenny Latz. Sie war bereits in diversen Talkshows zu Gast, hat bisher sieben Bücher veröffentlicht.

"Als ich in jungen Jahren meine Haare verloren habe, konnte mir niemand Rat und Hilfe bieten. Ich möchte den Betroffenen dabei helfen, dass es ihnen anders geht als mir damals", erklärt Latz ihre Aufgabe. Sie hält Vorträge, gibt Seminare und informiert auf ihrer Homepage über Perücken, neue Kopftücher oder Haartransplantationen. Und Jenny Latz berät Betroffene persönlich. Frauen wie auch Männer.

Wer meint, Männer würden mit einer Glatze oder dem Weg dorthin lockerer umgehen als Frauen, der irre, so die Expertin. "Für Männer ist das genauso ein Problem wie für Frauen. Aber Männer leiden anders und haben eine andere Art, mit psychisch belastenden Problemen umzugehen."

Während Frauen sich Ratgeber kauften oder im Internet Hilfe suchten, trauten sich Männer weniger, mit anderen darüber zu sprechen. Auch Gespräche mit Jenny Lanz starten anders. "Männer mit Haarausfall gucken mich an und haben ein Problem mit mir, weil ich ihnen ihr Spiegelbild vorhalte, weil ich mache, wozu sie sich nicht trauen."

Bis sich Latz so akzeptieren konnte, wie sie heute ist, vergingen rund zehn Jahre, nachdem sie ihre Haare verloren hatte. Der Haarausfall begann während des Abiturs. "Das war damals der Horror für mich", erinnert sich die Glatzenexpertin, die heute ironisch auch die Vorzüge ihrer Lage sieht: "Ich kann nicht grau werden."

Nach dem Abitur studierte sie unter anderem Germanistik, Politologie, Theaterwissenschaften, Philosophie, war dann in der Erwachsenenbildung als Sprachtrainerin tätig und wurde später Unternehmensberaterin. Mitte der 90er Jahre gründete Latz eine Selbsthilfegruppe für "kreisrunden Haarausfall" ("Alopecia areata"), war Bundesvorsitzende von "Alopecia Areata Deutschland e.V.". Seit 2002 firmiert sie unter "Haircoaching".

Einen generellen Ratschlag mag Jenny Latz bei Haarausfall nicht geben. Das hänge immer vom Einzelfall ab. Viele psychische Probleme seien aber ähnlich gelagert. "Wenn die Betroffenen in den Spiegel gucken, dann schauen sie sich nicht in die Augen, sondern ständig auf den Kopf.

Vor allem in der Übergangssituation. ,Oh, bin ich hässlich' oder ,Oh, ich habe meine Weiblichkeit verloren'. Diese Gedanken beziehen sie dann auch darauf, wie sie von anderen angeguckt werden und denken gar nicht daran, dass diese vielleicht etwas ganz anderes sehen und denken."

"Ich kann mit einer Super-Optik einen ersten Eindruck manipulieren. Wenn die Leute mich aber mögen sollen, dann muss ich eine Menge mehr draufhaben", meint Latz und betont: "Selbst die schönsten Haare der Welt nützen mir nichts, wenn ich eine Zimtzicke bin ..."

Mallorca ist schon seit Jahren ein gern genutzter Rückzugsort für Jenny Latz. Wobei sie betont, eigentlich nie richtig Urlaub zu machen. Und so ist auch ihr Cala-Rajada-Aufenthalt in diesen Tagen mit Beruflichem gespickt. "Ich arbeite an zwei Buchprojekten. Das eine ist ein Roman mit einer kahlen Heldin, das andere ist ein Ratgeber." Ob beides als Buch gedruckt wird, weiß die Autorin nicht. Es ist ihr nach eigenem Bekunden auch egal. "Ich habe Geschichten im Kopf, die müssen raus."

Im vergangenen Jahr hat Latz die Insel schon auf eine andere Art und Weise in ihre Arbeit einbezogen. Sie veranstaltete ein Seminar. Mehrere kahlköpfige Frauen wohnten ein paar Tage zusammen mit ihr in einem Haus in Font de Sa Cala und ließen sich auch gemeinsam "oben ohne" in der Öffentlichkeit blicken. Solch ein Seminar soll es auch im Herbst kommenden Jahres wieder geben, Latz muss die drei bis sieben Teilnehmerinnen aber vorher schon mal beraten haben und beurteilen können, dass sie zusammenpassen.

Auf der Insel sollen die Frauen mithilfe der anderen an sich selber arbeiten. Und werden im Café ganz sicher wieder einige Blicke auf sich ziehen ...

(aus MM 43/2014)

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