Heute ist ein sauberer Tag, zumindest am frühen Morgen vor Palmas Hafen. Das kann sich aber schlagartig ab 13 Uhr ändern, wenn der Embat kommt. "Dann kann alles voller Müll sein", sagt Carlos Montero Oliden. "Das ist schon komisch mit dem Müll", sinniert er.
Der Embat ist der mallorca-typische Seewind, der warme Luft und meistens auch viel Müll bringt. Der 55-jährige Montero ist Kapitän des ESVAT 410, eines von zwei Müllbooten, das seit Mai jeden Tag unterwegs ist, um vor der Küste Müll aus dem Meer zu fischen. Insgesamt gibt es 14 Schiffe auf Mallorca, die rund um die Insel im Einsatz sind, balearenweit sind es 33.
"Wir können bis auf wenige Meter an den Strand heransteuern, bis an die Felsen, weil wir keine Schiffsschraube, sondern Turbinen haben", sagt Montero. Die 6,45 Meter langen Boote haben lediglich 36 Zentimeter Tiefgang und sind bis zu einem Meter Wassertiefe operativ, die hydraulisch ausfahrbaren Netze brauchen ihren Platz. Sie können wie Flügel seitlich heruntergelassen und in Fahrtrichtung geöffnet werden.
An den Stränden ist Carlos Montero ein gern gesehener Gast. Eine Schwimmerin vor Palmas Stadtstrand Pere Can Antoni winkt freundlich aus dem Wasser. "Die kennt mich schon, sie hat mich schon häufiger zu Anhäufungen von Plastikmüll geschickt, zuletzt in die Cala Estància", sagt er. Dort habe er sieben Beutel Müll herausgefischt.
Der Plastikmüll ist zu einem großen Problem geworden. Montero schätzt, dass 90 Prozent dessen, was er aus dem Wasser holt, aus Plastik besteht. Laut offiziellen Zahlen des Umweltministeriums liegt die Plastikquote bei 50 Prozent. Auch die Herkunft ist für ihn klar: Nordafrika. "Milchpackungen mit französischer oder arabischer Beschriftung." Vor Jahrzehnten sei es auch auf Mallorca normal gewesen, den Müll ins Meer zu schmeißen. Wahrscheinlich seien die nordafrikanischen Länder noch ein bisschen rückständig in Umweltfragen.
Die Umweltorganisation GOB hat bereits ein internationales Vorgehen gefordert. Es gebe seit 2008 ein internationales Programm der UNO für Anliegerstaaten des Mittelmeeres. Das soll das Meer vor allem vor Abfällen vom Land schützen. "Die Plastikmüllmenge im Meer der Balearen macht deutlich, dass dieses Problem noch keineswegs gelöst ist", heißt es in einer Pressemitteilung des GOB.
Wie die Tageszeitung "Ultima Hora" berichtet, sind im Juli 27.000 Kilo Müll aus den balearischen Gewässern geholt worden, im Schnitt 876 Kilo pro Tag, im August seien es bis zu 1500 Kilo täglich. Davon ist Carlos Montero mit seinem Boot allerdings weit entfernt. Ein paar 100 Kilo hole er an manchen Tagen raus, manchmal aber auch nur sechs oder sieben. Manchmal treiben Plattformen auf dem Wasser, 60 bis 70 Kilo schwer oder bis zu sechs Meter lange Baumstämme.
Nun gehört der Küstenabschnitt vor Palma nicht zu den dreckigsten Mallorcas. Kurz hinter dem Hafenbecken fischt Carlos eine halbe Melone aus dem Wasser. Vor dem Strand von Arenal können es auch schon mal leere Wodka-Pullen sein. Eine Flasche "Sex on the Beach" mit Cannabis-Samen hat ihn besonders beeindruckt, deshalb hat er den Fund mit seinem Handy fotografiert. Manchmal haben sie auch den Auftrag, Quallen aus dem Meer zu holen. Am Schlimmsten auf Mallorca sei die Levante-Küste von der Müllschwemme betroffen, von Cala Rajada bis Cap Salines. Das ist die Seite Mallorcas, die dem afrikanischen Festland zugewandt ist. "Ein Desaster", nennt er es.
Sieben Stunden ist Carlos Montero täglich auf See, um die Buchten zu säubern. Oftmals wird er gerufen, von Badegästen oder Strandwächtern. Die Rettungsschwimmer sorgen mit ihrer Trillerpfeife dafür, dass das Wasser geräumt wird, dann fischt Carlos durch das Wasser. Vor allem mit den hydraulischen Greifarmen, welche die zwei Netze halten, muss er aufpassen.
Carlos fährt seit 2006 auf Müllbooten, angefangen hat er auf Menorca. Das beschauliche Schippern ist eigentlich nicht sein Ding, ihn faszinieren vor allem die schnittigeren Segelboote, denen er auf seiner Strecke immer wieder begegnet.
Eine rote Blume landet im Netz. "So etwas hole ich sonst nicht aus dem Wasser. Das kann etwas sehr Persönliches sein, eine Beerdigung vielleicht. So etwas respektieren wir." Immer wieder landen seltsame Funde in seinem Müllnetz. "Geldsäcke haben wir bisher nicht gefunden, nur eine Sonnencreme, die ich gut gebrauchen konnte. Auch eine Menge von plastifizierten Fluginstruktionen für Passagiere", sagt er lachend. Auch ein Kuhkadaver sei schon mal im Netz gelandet.
"Es gibt Tage, da kann ich nicht mehr. Da tun dir die Arme weh. Manchmal habe ich einen Golf- und Tennisarm gleichzeitig." Dennoch mag er seinen Job. Was ihm am meisten daran gefällt? "Das Ziel der Arbeit. Wir tun etwas Gutes für die Umwelt."
(aus MM 33/2015)