Antònia Campins freut sich sichtlich, als ihr Palmas Bürgermeister José Hila ein Blumenpräsent überreicht. Wie ein junges Mädchen lacht die 106-Jährige angesichts des Besuchs des Stadtoberhauptes zu ihrem Geburtstag. Für Hila ist der Anlass beinahe Normalität, allein in den vergangenen drei Wochen beglückwünschte er zwei weitere Damen: Eine ist 105 und die andere 103 Jahre.
Spanier - und somit auch Mallorquiner - haben eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung im weltweiten Vergleich. 83 Jahre werden sie im Schnitt alt, Mallorquinerinnen sogar 85,2 Jahre. Länger leben nur Japaner, eine ähnlich hohe Lebenserwartung haben außerdem Menschen aus der Schweiz und Island. Auf Mallorca lebten zur Erhebung des Zensus 2011 145 Überhundertjährige und 17.097 Menschen, die älter als 85 Jahre waren. Woran mag es liegen, dass die Spanier häufig so lange leben?
Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die die Lebensumstände der Menschen in verschiedenen Ländern untersucht, gaben 72 Prozent der Spanier an, dass es ihnen gesundheitlich gut oder sehr gut gehe, das ist mehr als der Durchschnitt (68 Prozent). In die Studie fließen neben dem Gesundheitszustand auch Lebensstandard, Lebensführung, Bildung und Umwelteinflüsse ein. Mit einer Ausnahme schneidet Spanien in diesen Aspekten jedoch nicht sonderlich gut ab.
Lebensverlängernd wirkt sich der sinkende Tabakkonsum aus, heißt es in der OECD-Studie: Jeder vierte Mallorquiner greift täglich zur Zigarette, 2000 war es noch jeder dritte. Dennoch rauchen die Insulaner nach wie vor mehr als der Durchschnitt (20 Prozent) der anderen 36 untersuchten Länder.
Negativ wird in der Studie besonders der steigende Trend zum Übergewicht in der spanischen Bevölkerung hervorgehoben. Besonders Kinder bringen mehr Kilos auf die Waage, als sie sollten. Knapp jeder dritte Schüler ist bereits übergewichtig. "Ernährung steht in direktem Zusammenhang mit der Lebenserwartung", sagt Dr. Josep Antoni Tur Marí, Dozent an der Balearen-Universität und Wissenschaftler des spanischen Projekts Ciberobn zur Erforschung von Übergewicht. Er sieht diese Entwicklung mit Sorge, denn Übergewicht war lange kein Problem Spaniens.
"Die Mittelmeer-Diät ist die beste Möglichkeit, sich zu ernähren", sagt Tur. Die klassische Ernährung im Mittelmeerraum setzt auf einen hohen Anteil an Getreide und Reis sowie Gemüse und Obst mit Trockenfrüchten. Hinzukommt ein moderater Anteil an Milchprodukten und Fisch. Kuhmilch gehört traditionell aufgrund einer weit verbreiteten Unverträglichkeit kaum zum Speiseplan. Früher kamen nur selten Fleisch und Süßspeisen auf den Tisch. Zubereitet wurde das Essen mit Olivenöl und zu den Mahlzeiten wurde Wein gereicht. "Am besten Rotwein wegen seiner vielen Antioxidantien." Auf Mallorca wurde im Gegensatz zu anderen Regionen zwar Schweinefleisch verzehrt: "Doch die Sobrassada wurde nicht mit einem Mal verzehrt, sondern musste lange halten", erklärt der Wissenschaftler. Heute werde zu viel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse gegessen.
Punkten kann Spanien mit seiner Work-Life-Balance: "Spanier verwenden 67 Prozent des Tages auf Grundbedürfnisse", heißt es in dem OECD-Bericht. 16 Stunden täglich stehen ihnen zum Schlafen, Essen und für Freizeitaktivitäten zur Verfügung, das ist eine Stunde mehr als der Durchschnitt. Sechs Prozent der Beschäftigten arbeiten in Spanien mehr als 50 Stunden pro Woche, OECD-weit sind es doppelt so viele: "Die Daten lassen darauf schließen, dass lange Arbeitszeiten die Gesundheit beeinträchtigen und Stress erhöhen."
(aus MM 47/2015)