Der Morgen dämmert heran, eine Palme wiegt sich leicht im Wind. Noch ist es still an der Playa de Palma. Ein junges Paar schwankt die Strandpromenade entlang: "Willst du noch von meiner türkischen Pizza", fragt die junge Frau mit starkem, aber mittlerweile verwischtem Augen-Make-up. Dabei hält sie ihrem Begleiter eine Teigrolle unter die Nase, weiße Soße tropft auf die Promenade. Er schüttelt den Kopf und zieht sie weiter.
Die Strandreiniger der Firma "Mar de Mallorca" haben keine Zeit, der Szene Beachtung zu schenken. José Antonio Chávez und Daniel Quintas leeren die Mülltonnen an der Playa de Palma. Auf einer Länge von fünf Kilometern steht alle 20 Meter ein Abfalleimer. Sie müssen jeden Morgen gesäubert werden. "Ich brauche kein Fitnessstudio" sagt Chávez und spannt seinen Bizeps an.
Arbeiten im Akkord
Zeit zum Plaudern haben die beiden nicht viel, sie arbeiten im Akkord, bis 10 Uhr müssen die Tonnen geleert sein. Sie schütten den Müll in einen Bagger, dieser hebt ihn auf einen Lastwagen. Die Tonnen und damit die Arbeit sei allerdings ein wenig leichter geworden, seitdem Glasflaschen am Strand verboten sind, die hätten immer ordentlich Gewicht gebracht. In der Nacht wurde bereits der ganze Strand mechanisch nach Müll durchsiebt. 16 Tonnen Abfall fallen täglich rund um den Ballermann an. "Am Wochenende werden auch mal zwei Laster voll", wissen die Arbeiter von "Mar de Mallorca". Das Unternehmen betreibt die Balnearios, den Strandliegen- und Sonnenschirmverleih, ist zuständig für die Strand- und Grünflächenreinigung. "Außer Müll und Schnapsleichen haben wir aber noch nichts gefunden", witzeln Chávez und Quintas, bevor sie zur nächsten Abfalltonne weitereilen.
Eilig haben es hingegen die jungen Schweizer Severin Kubli und Bastian Helmut nicht: "Wir waren am Einser bei den Holländern feiern", erzählen die Freunde aus Zürich. Ins Bett wollen sie nicht: "Wir machen durch", prahlen sie, da ist es 7.30 Uhr. Insgesamt sechs Wochen bleiben die beiden auf Mallorca, da bleibt genügend Zeit zum Partymachen.
Nicht genug vom Feiern können auch die bayerischen Freunde Andreas Specker und Matthias Haslinger bekommen. Sie teilen ihr Sixpack Bier mit einer Junggesellenabschiedsgesellschaft, die erst vor wenigen Minuten aus Nürnberg auf Mallorca gelandet ist. "Wir waren heute Nacht überall unterwegs", erzählt Andreas Specker, Schinken- und Bierstraße haben sie unsicher gemacht. Von Müdigkeit keine Spur.
Von einer Pommes, den Überresten eines Nachtmahls, zieht die Madrilenin Carmen Rodríguez ihre beiden Hunde weg. "Es ist eine Schande, wie es hier aussieht", klagt sie. Sie führt ihre Vierbeiner früh immer am Balneario 5, auf Höhe des Mega-Parks entlang. Die Stadtwerke Emaya sind für die Reinigung der Strandpromenade zuständig, die Mitarbeiter sind noch nicht durch, überall liegen Getränkedosen, Papier, Essensreste. "Das war früher nicht so", klagt die Seniorin, die seit 50 Jahren Urlaub an der Playa de Palma macht. "Die jungen Leute wollen sich amüsieren, aber so wie hier würden sie sich Zuhause nicht aufführen." Oftmals könne sie abends wegen des Lärms nicht schlafen und bereits am Nachmittag begännen die ersten Betrunkenen in die Vorgärten und gegen Haustüren zu pinkeln.
Fast ein ganzes Leben an der Playa de Palma
Auch Anwohner Miguel Frau ist schon auf den Beinen, er führt seinen Hund am liebsten morgens aus: "Dann ist es noch nicht so heiß und auf der Promenade ist es noch ruhig." Seit 63 Jahren, fast sein ganzes Leben, wohnt der Mallorquiner an der Playa de Palma. Wenn er Aussagen von Urlaubern hört, die Einheimischen sollten doch wegziehen, wenn sie das Partyvolk störe, wird er wütend: "In der Heimat würden sie sich so nicht benehmen." Ihm gefalle der Strand im Winter besser: "In diesem Sommer ist es aber auch extrem voll."
Um 8 Uhr gehört der Strand ganz den Joggern, Spaziergängern und Hundebesitzern. Die Männer, die kunstvolle Sandburgen bauen, schnarchen noch in ihren Zelten, von denen aus sie ihre Sandkunstwerke bewachen. Und die Strandliegen werden aufgestellt, denn nach und nach kommen die ersten Badegäste.
Familie Cichowski hat sich bereits ans Wasser gewagt. Der fünfjährige Sohn entert mit seinem blauen Schwimmring bewaffnet die Wellen, die am Morgen noch sanft auf die Küste treffen. Seine Mutter sammelt zwei Getränkedosen ein und wirft sie weg: "Hier sieht es manchmal aus wie nach einem Festival", sagt sie. Die junge Familie aus Dingolfing in Bayern ist eher unfreiwillig am Ballermann gelandet. "Wir wollten eigentlich einen anderen Urlaubsort auf Mallorca", erzählt Bartlomiej Cichowski, wie die Playa de Muro, doch viele Hotels seien bereits ausgebucht gewesen, so blieb die Playa de Palma. Ihren Urlaub genießen sie trotzdem: "Nur für Familien ist es nicht so ideal hier." Um 9 Uhr gehen sie ins Hotel, zu heiß und zu voll wird es dann an der Playa.
(aus MM 33/2016)