"Ein Getränk kaufen, ein Getränk gratis. Dann hast du auch mehr Geld zum Shoppen", ruft Patrick Schneider einem jungen Mädchen mit Einkaufstüten hinterher. Sie lacht und schlendert weiter. "Für Papa gibt's auch antialkoholische Getränke. 1,3 Liter Milch", versucht es Schneider bei einem Mann mit Kinderwagen. Der verzieht das Gesicht. "Die Kinderbetreuung ist hinter der Theke links", fügt Schneider hinzu, doch Vater und Kind sind bereits um die Ecke gebogen.
Schneider ist Promoter, oder auf Spanisch "Tiquetero". Jeden Abend steht er vor der Party-Location "Bierbrunnen" in Cala Rajada und versucht, Passanten in die Bar zu locken.
Hunderte von Deutschen kommen jährlich nach Mallorca, um sich wie Schneider als Promoter zu versuchen. Viele sehen es nur als kleinen Job auf der Sonneninsel. Eine Möglichkeit, nach dem Abitur oder in den Semesterferien mal rauszukommen, und sich den verlängerten Inselurlaub zu finanzieren. Das Angebot ist groß, wie zahlreiche Jobportale im Internet zeigen. Gerade für deutsche Muttersprachler. Gepflegtes Aussehen, Spaß am Umgang mit Menschen, jung - das sind die Anforderungen in den meisten Stellenangeboten. Tatsächlich sind - anders als auf Handelsmessen - bei Weitem nicht nur Frauen gefragt. Denn je mehr Alkohol im Spiel ist, desto schwieriger wird es für sie. "Man wird viel angegraben", erzählt Kathi Tzscheutschler-Loos. Sie steht am anderen Eingang des "Bierbrunnens". "Man muss ganz klar seine Grenzen aufzeigen, das ist nicht immer leicht."
Ob der Ticketverkauf am Strand für Exkursionen oder das Lotsen in eine Diskothek in der Nacht - die Bandbreite der Promotion-Jobs ist groß. Gerade Partyhochburgen wie die Playa de Palma sind von der Schar der "Tiqueteros" geradezu übersättigt. Das Rathaus gibt klare Regelungen vor, damit der Straßenverkehr nicht behindert wird und Passanten sich nicht gestört fühlen. Unterschieden wird hier zwischen jenen Promotern, die nur mündlich Werbung machen und denen, die Materialien wie Flugblätter oder Prospekte bei sich haben. Erstere können weitgehend frei agieren, Letztere dagegen können in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt werden. Die Anzahl der erlaubten Promoter richtet sich nach der Mitarbeiterzahl des Unternehmens. An Palmas Strand ist die Werbung ganz verboten, Verkaufen ist auch auf der Straße untersagt.
Die Gemeinde Calvià greift noch härter durch. Hier bevölkern Promoter vor allem den bei britischen Party-Touristen beliebten Küstenort Magaluf. Jahrelang waren die "Tiqueteros" auf öffentlichem Boden gänzlich verboten. Seit einigen Jahren ist es wieder erlaubt, mündlich Werbung für Betriebe oder Veranstaltungen zu machen, allerdings unter hohen Auflagen. Die Anzahl der "Tiqueteros" ist limitiert, der bürokratische Aufwand für die Auftraggeber groß. "Die Passanten sollen sich frei bewegen können, ohne ständig belästigt zu werden", erklärt Gemeindesprecherin Pilar Calatayud die Maßnahme.
In Cala Rajada, wo Patrick Schneider aktiv ist, sind die Regelungen nicht ganz so eng gefasst. Nur bei den Uhrzeiten gibt es strenge Vorgaben: Um 23 Uhr ist Schluss - offiziell zumindest. "Wegen mir gab es hier noch nie Ärger mit der Polizei", sagt Schneider. Tatsächlich lachen die meisten Passanten über seine frechen Sprüche. Der Tausendsassa macht den Job bereits in der zweiten Saison, jeden Abend fünf Stunden lang. 50 Euro verdient er pro Tag - das Basiseinkommen für Projekte wie seine eigene Modemarke "Scorpy King" und die Nebentätigkeit als Personal-Trainer. "Vor allem verkaufe ich mich selbst. Ich habe ADHS, ich liebe es, im Rampenlicht zu stehen, der Job ist für mich keine Arbeit sondern macht mir Spaß." Dass er höchstens bei 15 Prozent der Passanten Erfolg hat, ist ihm egal. "Ich spreche jeden an", sagt er. Ältere Ehepaare, Spaziergänger mit Hunden ("zwei Wasserschalen, eine gratis"), sogar Autofahrer, die mit offenem Verdeck unterwegs sind - vor Schneiders Sprüchen ist niemand sicher. In gebrochenem Spanisch und mit Hand und Fuß gibt er auch den Spaniern zu verstehen, dass man im "Bierbrunnen" vor allem eins kann: billig trinken.
Benny Schneider geht die Sache anders an. Gut hundert Meter entfernt macht er Werbung für "Andy Bar Stadl". Die Bar ist deutlich kleiner als der "Bierbrunnen", zieht im Sommer aber ähnliches Klientel an. Promotion ist hier umso wichtiger - der Betrieb wurde erst Anfang des Jahres eröffnet und liegt ein paar Meter abseits der Hauptstraße. "Ich schreie nie jemandem hinterher", erzählt Benny Schneider. Anders als sein Namensvetter beim "Bierbrunnen" wirkt der 29-Jährige ruhig und höflich, aber dennoch selbstbewusst. Ursprünglich war er als Kellner angestellt, doch irgendwann begann er, zusätzlich die Leute von der Straße anzulocken. Er selektiert, bevor er jemanden anspricht und sucht zunächst Augenkontakt. "Familien oder Menschen, die offensichtlich vom Einkaufen oder vom Strand kommen, frage ich gar nicht." Aufdringlichkeit lehnt er ab.
Am einfachsten sei es, Gruppen zu überzeugen. "Zwar haben sie meist schon ein Ziel und mindestens einer von ihnen hat Einwände, aber sie sind eher bereit, zuzuhören und überzeugen sich dann gegenseitig", verrät Benny Schneider. Schlecht scheint er seinen Job nicht zu machen - "Andy Bar Stadl" hat die erste Saison gut überstanden und soll sogar bis in den Winter hinein geöffnet bleiben. "Wenn die Leute erstmal drin sind, gefällt es ihnen. Dieser erste Schritt ist entscheidend", so Benny Schneider. Auch im nächsten Jahr will er dabei helfen, dass möglichst viele diesen Schritt gehen.
(aus MM 40/2016)