Nachhaltigkeit ist derzeit eines der Modewörter in der Balearen-Politik. In der "Fundació Deixalles" (zu Deutsch: "Abfall-Stiftung") wird die leere Worthülse schon seit Jahren mit Leben gefüllt - seit 30 Jahren um genau zu sein. Am 30. September 1986 wurde die gemeinnützige Stiftung gegründet. Heute verfügt sie über sieben riesige Verkaufshallen, vier Läden und ist Arbeitgeber für rund 200 Menschen. Hier wird Gebrauchtes zum Verkauf angepriesen, Altes aufpoliert, Abfälle wiederverwertet, Arbeit geschaffen. Knapp 45 Prozent der Mitarbeiter kommen aus schwierigen Verhältnissen, haben Probleme, sich in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
Schon in ihren Anfängen in den 1980-er Jahren standen Benachteiligte im Fokus der "Fundació Deixalles". Ihnen sollte sinnvolle Beschäftigung gegeben werden. Angestoßen vom Bistum Mallorca und dem Interessenverband kleiner und mittelständischer Unternehmen "Pinem" wurden Müllsammelaktionen gestartet und aus den Abfällen Gegenstände hergestellt. "Richtig an die Öffentlichkeit sind wir erst in den 90er Jahren gegangen", berichtet Sprecher José Luis Blasco. Die Projekte wurden größer, vernetzten sich teilweise mit EU-Projekten. Große Verkaufshallen entstanden, in denen die gefertigten und reparierten Gegenstände zum Verkauf angeboten wurden. "Zwischen 1994 und 2002 haben wir auch den Abhol-Service ausgebaut", erzählt Blasco.
Heute kann jeder auf der Insel, der alte Möbel oder Hausrat loswerden will, den kostenlosen Abhol-Service in Anspruch nehmen. "Mitarbeiter holen die Sachen von zu Hause ab, es entsteht kein Aufwand für die Spender." Auch defekte Gegenstände werden angenommen - solange sie nicht komplett zerstört sind und mit einfachen Reparaturen wieder instand gesetzt werden können. Je nach Route der Mitarbeiter könne die Abholung ein paar Tage dauern, "aber sie bedeutet für die Spender keinerlei Aufwand oder Kosten". Nur Altkleider müssen eigenhändig in eines der Zentren gebracht werden (siehe Infokasten) . "Mit dem Geld, das wir mit dem Verkauf einnehmen, finanzieren wir unsere sozialen Projekte", so Blasco. Allein im vergangenen Jahr trafen bei "Deixalles" rund 1500 Tonnen Kleidung, Möbel und Elektrogeräte ein. "Und 73 Prozent davon haben wir wiederverwertet." Blasco ist es wichtig, dass sich der Nachhaltigkeitsgedanke in der Gesellschaft auf den Balearen weiter einprägt. "Nicht immer alles wegwerfen, wenn man es nicht mehr haben will," betont er.
Dass die Ideale der "Fundació Deixalles" bereits Früchte tragen, zeigt sich auch an den vier Läden, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben. Anders als die großen Hallen sind sie zentrumsnah situiert und muten wie normale Geschäfte an.
Einer der Läden liegt in Palmas Fußgängerzone Carrer Blanquerna. Zwar ist er nicht besonders groß, dennoch findet sich hier einiges: Eine schicke Handtasche für vier Euro, ein modisches Kleid für sechs Euro, DVDs für einen Euro, ein deutsches Buch für zwei Euro. "Alles Second-Hand", sagt Adriana Morales. Zusammen mit anderen Mitarbeitern verkauft sie die gebrauchte Ware und hat allerhand zu tun, der Laden ist voll. "Wir haben Kunden aus allen sozialen Schichten. Bedürftige, aber auch Leute, die es gut finden, Sachen wiederzuverwerten." Eine ältere Dame begutachtet ein altmodisches, achtteiliges Teeservice für fünf Euro. "Man darf nicht mit einem gezielten Wunsch kommen, man muss sich einfach überraschen lassen von dem, was man findet", rät sie und fügt lächelnd an: "Ich hab da Erfahrung." Dreimal pro Woche trifft neue Ware ein. "Viele Leute kommen immer mal wieder herein und schauen, ob etwas für sie dabei ist", berichtet Verkäuferin Morales. Ein Verkaufsschlager seien beispielsweise die Strandtaschen, die von "Deixalles"-Mitarbeitern hergestellt wurden. "Sie bestehen aus den Überresten von kaputten Luftmatratzen, die Touristen am Strand liegen gelassen haben und verkaufen sich richtig gut", berichtet Morales. Sie fühle sich sehr wohl an ihrer Arbeitsstelle. "Es ist ein tolles Klima, man ist ein bisschen wie Teil einer großen Familie."
Dass bei "Deixalles" das Prinzip der solidarischen Ökonomie herrscht, spiegelt sich auch in der Gestaltung des Jubiläumsjahrs wieder. "Wir haben unter den Mitarbeitern eine Umfrage gemacht und sie gefragt, was sie sich für Veranstaltungen zum 30. Geburtstag wünschen. Fast 90 Prozent der Vorschläge haben wir umgesetzt", berichtet "Deixalles"-Sprecher Blasco. Schon das ganze Jahr über stehen Exkursionen und Workshops an. Es wird Kraft getankt, vielleicht für weitere 30 Jahre. "In Zukunft wollen wir unsere Infrastrukturen verbessern und ein Lager zur Kleidungsaufbereitung ist geplant", so Blasco. "Aber an unseren Werten wird sich nichts ändern."
DEIXALLES VOR ORT.
Palma (Halle): Calle Cedre 9, Tel. 971 472 031.
Palma Arxiduc (Laden): Calle Arxiduc Lluís Salvador 62, Tel. 678 400 909.
Palma Blanquerna (Laden): Calle Blanquerna 6, Tel. 971 756 436.
Palma Plaza Madrid (Laden): Calle Pasqual Ribot 1, Tel. 971 778 108.
Sóller (Halle): Calle Desviament 48, Tel. 971 634 837.
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Calvià (Halle): Calle Alacant 9, Tel. 971 698 422.
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(aus MM 40/2016)