Auch beim Militär ist perfektes Timing einfach alles. Just in dem Moment, in dem der Ehrenkranz für die gefallenen Luftwaffensoldaten an seiner vorgesehenen Stelle drapiert worden ist, donnert ein Militärflugzeug mit dröhnenden Motoren und im Tiefflug über den Paradeplatz.
Willkommen auf dem Luftwaffenstützpunkt am Flughafen von Palma de Mallorca. Viele Mallorca-Passagiere, die in Son Sant Joan starten oder landen, haben vielleicht schon einmal einen Blick aus den kleinen Rundfenstern an Bord auf den Militärbereich erhaschen können. Zu erkennen sind in der Ferne einige kleine Gebäude in Weiß samt einem eigenen Kontrollturm.
Doch auf dem Militärgelände selbst zu stehen, das ist schon etwas ganz anderes. Möglich war dies am 10. Dezember aus Anlass des Ehrentages der Schutzpatronin der Luftwaffe, der Heiligen Jungfrau von Loreto. Auch sie war anwesend, zumindest in einer aus Holz geschnitzten Abbildung. Das Besondere an der Madonna mit Kind im Arm: In der anderen Hand hält sie ein winziges Haus in orientalischem Baustil samt Vogelschwingen an den beiden Flanken.
Das ist nun eine ganz eigene Geschichte: Der christlichen Legende nach handelt es sich um das Geburtshaus der Heiligen Maria in Jerusalem. Dort hatte ihre Mutter Anna vom Heiligen Geist erfahren, dass ihre Tochter einst Gottes Sohn empfangen wird. Später im Mittelalter, als muslimische Heere die heilige Stadt eroberten, trugen Engel das Geburtshaus erst nach Kroatien und später nach Loreto in Mittelitalien bei Ancona. Dort steht das Lehmgemäuer heute noch, wenn auch umgeben von einem marmornen Renaissance-Relief und überbaut mit einer gigantischen Basilika. Aber ein Haus, das fliegen konnte - eine solche Eigentümerin musste einfach zur Beschützerin von fliegenden Einheiten werden. Seit 1920 begeht Spaniens Luftwaffe also den Loreto-Tag.
Und zwar feierlich festlich. Gefühlt Hunderte Militärs von teils höchstem Rang und Namen waren in ihren Paradeuniformen in der Militärbasis aufmarschiert. Es ist ein gigantischer Platz im Geviert der ausgreifenden Kommandantur-, Kasernen- und Verwaltungsgebäude, die sich dort in einem stillen Winkel nordöstlich des Zivilflughafens von Palma befinden. Der Architektur aus den 1940er Jahren mit ihren unzähligen Bögen und Säulen ist der Wunsch nach imperialer Größe und Bedeutung durchaus anzumerken. 1,2 Millionen Quadratmeter nimmt der Militärbereich von Son Sant Joan insgesamt ein, inklusive der Hangars, Werkstätten, Unterkünften, Lager, Rollbahnen, Parkplätzen.
Doch das Herz der Anlage ist der zentrale Paradeplatz. Hier wurden auch die geladenen Politiker und Ehrengäste, die Familienangehörigen, die herausgeputzten Ehefrauen und Freundinnen empfangen. Am Loreto-Tag waren neben dem zahlreichen Himmelblau der Luftwaffen-Uniformen auch die Brauntöne des Heeres, das dunkle Blau der Marine und der Nationalpolizei sowie das Grün der Guardia Civil zu erblicken. Alles glänzte, was auf Hochglanz poliert in der Sonne zu blitzen hatte: Die Gürtelschnallen, die Paradedegen, die Pauken und Trompeten der Musikkapelle, die Aufsätze der Standarten, die Orden, die an mancher Militärbrust so reichlich hingen, dass kaum noch ein freies Plätzchen Uniform zu finden war.
"Wir haben hier rund 450 Mann Besatzung und Mitarbeiter auf der Basis", sagt der Presseoffizier Mario Ruiz de la Torre. Der Einheit "Ala 49" (Flügel 49), die ganz Mallorca umfasst, sei in der spanischen Luftwaffe eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt worden. Hier werden alle "SAR"-Aktivitäten zusammengefasst. Die Initialen stehen für "Search and Rescue", es handelt sich um Such- und Rettungseinsätze auf See. In Palma und in der Nebenbasis Pollença werden dazu Soldaten aus ganz Spanien sowie mitunter Kameraden der Natostaaten in Lehrgängen und Übungen entsprechend ausgebildet. Dazu besitzt die Basis ein Rettungsflugzeug vom Typ CN-235 sowie zwei Puma-Hubschrauber. Kampfeinsätze werden am Stützpunkt in Palma nicht geübt.
Gleichwohl dient die Basis zur Koordinierung von zahlreichen militärischen Übungsmanövern im Mittelmeer. Und auch ohne Kampftraining ergeben sich für die Angehörigen der Ala 49 oftmals Einsätze im Ernstfall. Sie sind sie beteiligt an Überwachungs- und Rettungsaktionen von Flüchtlingen, die mit Booten über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. Basisangehörige aus Palma haben im vergangenen Jahr südlich von Italien rund 300 Menschen lebend aus dem Wasser gefischt.
(aus MM 51/2016)