"Viele in Deutschland haben mich für verrückt erklärt", erinnert sich Regina Hartmann. Einfach so nach Mallorca auswandern? Die Festanstellung aufgeben? Als Frau alleine? Mit 43 Jahren? "Ich wollte etwas für mich machen. Einen Neuanfang." Heute, 20 Jahre später, ist die Friseurin sicher, damals den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.
Im Dezember 1996 hat die Frau aus Angermünde in der Uckermark (Brandenburg) ihr kleines Frisierstübchen an der Playa de Palma aufgemacht. Mit alten Utensilien, die einer ihrer Kollegen anscheinend nicht mehr gebrauchen konnte und die nur rumstanden. Nach und nach wurde die Einrichtung des Salons moderner. Immer, wenn etwas Geld übrig war. "Eine Freundin von mir war ein Jahr vorher hierhergezogen und hatte sich als Fußpflegerin niedergelassen." Zwei Besuche auf der Insel ließen den Wunsch reifen, ebenfalls auszuwandern. "In Deutschland hätte ich meinen Meister machen müssen, hier konnte ich den Salon auch ohne Titel eröffnen."
Im Laufe der Jahre gewann Hartmann viele Stammkunden. Vor allem solche, deren Sprache sie beherrscht. Spanier verirren sich eher selten zu ihr. Daher spricht Regina, wie viele Deutsche, die an der Playa leben, nicht perfekt Spanisch. "Aber ich komme im Alltag schon zurecht. Wenn der Hausmeister mit Deutschen redet, dann bittet er mich manchmal, ob ich übersetzen kann."
Praktischerweise wohnt die Friseurin in dem Haus, in dem sich auch ihr Salon befindet. Vom Balkon aus schaut sie direkt aufs Meer. Ein Blick, an dem sich die Brandenburgerin nicht satt sehen kann. "Ich liebe das Meer."
Mit der Arbeit soll bald Schluss sein, meint die 63-Jährige. "Meine deutsche Rente bekomme ich schon. Die spanische ist beantragt. Spätestens im kommenden Jahr höre ich auf. Ich hoffe, dass es schon dieses Jahr klappt." Dabei sei es nicht so, dass ihr die Arbeit keinen Spaß mehr macht. "Ich liebe meinen Job, würde immer wieder Friseuse werden. Aber 43 Jahre hinter dem Stuhl, das ist schon hart ..."
Hat sie die Zeit im eigenen Salon reich gemacht? "Nein, reich bin ich nicht. Aber ich kann leben." Das war bei vielen Deutschen, die sie an der Playa kommen und gehen sehen hat, anders. "Die haben zum Beispiel ein bisschen Geld gehabt und das dann gleich fröhlich ausgegeben. So geht das nicht. Ich muss in den guten Monaten haushalten, damit ich auch alles bezahlen kann, wenn weniger los ist." Ähnlich sah es Hartmann schon beim Start: "Ich muss so viel Geld mitbringen, dass ich davon ein Jahr leben kann."
Die Friseurin genießt den höheren Freizeitwert im Vergleich zu ihrem früheren Leben. Sie trifft sich mit Freunden, geht essen, erkundet Palma und den Rest der Insel. Einen Führerschein hat sie, ein Auto nicht. "Ich wüsste nicht, wozu ich das brauche."
Als Regina Hartmann 1996 nach Mallorca kam, war der Plan, als Rentnerin wieder zu gehen. "Ich habe gedacht, die ärztliche Versorgung wäre nicht so gut hier. Da wurde ich aber eines Besseren belehrt." Jetzt verschwendet die Friseurin keinen Gedanken mehr daran, die Insel zu verlassen.
Auswanderersendungen im TV sind angesagt. Auch Hartmann schaut zu. "Man merkt ja oft recht schnell, wenn etwas nichts werden kann. Nicht schön finde ich, wenn die Leute nicht an das Wohl ihrer Kinder denken und sie zum Beispiel einfach aus der Schule nehmen."
Wurde Regina auch schon mal gefragt, ob sie in einer Auswandererdoku mitmachen wolle? "Nein. Vielleicht bin ich dafür zu normal."
(aus MM 5/2017)