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An der Playa de Palma "wurde vor allem improvisiert"

Die Playa de Palma in den frühen 1950er Jahren. Die Uferstraße ist bereits asphaltiert, aber noch sehr schmal. Links und rechts davon sind die Sanddünen unbefestigt. | Fotos Antiguad de Mallorca (FAM)

| Playa de Palma, Mallorca |

Die Playa de Palma ist in Deutschland jedem ein Begriff, auch wenn so mancher Bundesbürger noch nie seinen Fuß auf Mallorca gesetzt hat. Unter den Inselfans wiederum, die dort schon häufiger die schönsten Wochen des Jahres verbracht haben, werden sich nicht wenige über das bizarre Durcheinander an Hotels, Restaurants, Villen- und Einfamilienhäusern sowie gigantischen Wohnblöcken gewundert haben, die sich dort in kunterbunter Nachbarschaft wiederfinden. Die Bebauung der Fläche zwischen dem Sandstreifen und der Autobahn scheint regelrecht willkürlich gewachsen zu sein, wie Kraut und Rüben.

Jetzt hat sich ein Fachmann mit dem Wildwuchs der vergangenen Jahre und Jahrzehnte auseinandergesetzt. Der pensionierte Architekt und Stadtplaner Manuel Cabellos hat in seiner Freizeit die Geschichte der "Wiege des Massentourismus" unter die Lupe genommen und analysiert. Die Entwicklung interessierte ihn nicht nur von seiner beruflichen Zunft her; Cabellos hat den Wandel mit eigenen Augen gesehen. Geboren 1944, verbrachte er viele Sommer seines Lebens im Ferienhaus seiner mallorquinischen Familie, das sich im heutigen Stadtteil S'Arenal de Palma befand. Das Sommerchalet samt Garten existiert längst nicht mehr. Auch dieses Haus musste der ausufernden Bebauung weichen, an seiner Stelle steht heute ein Wohnblock, wie Cabellos mit Bedauern einräumt.

Jetzt hat der Architekt seine Untersuchung in einem auf Katalanisch erschienen Buch "La Platja de Palma. Evolució Històrica i Planejament Urbà" veröffentlicht (Preis 20 Euro). Die Quintessenz seiner Privatstudie: "Sämtliche Maßnahmen zur Schaffung der Infrastrukturen an der Playa de Palma sind stets von einem hohen Anteil des Improvisierens bestimmt gewesen." Die seinerzeitigen Planer hatten stets das Problem, auf massiv anfallende Anforderungen mit raschen Lösungen reagieren zu müssen. Das galt insbesondere in dem entwicklungsintensiven Jahrzehnt 1960 bis 1970. Damals explodierte die touristische Nutzung regelrecht. In einem Gebiet mit nahezu nicht vorhandener Raumordnung stieg die Anforderung von etwa null auf "Boom".

Das bedeutete beispielsweise, dass die einzige Straße, die Palma damals mit Arenal verband, vollkommen überlastet war. Zur Erinnerung: Es handelte sich um eine Sandpiste zwischen den Dünen, die 1947 erstmals asphaltiert wurde. Die 6,2 Meter breite Trasse reichte bei Weitem nicht aus. So wurde sie kurzerhand auf 20 Meter, beziehungsweise vier Spuren verbreitert. In dieser Form diente sie 25 Jahre dem Verkehr. Heute ist die einstige Straße die Meerespromenade an der Playa de Palma. Die sechs Meter breite Urtrasse ist in etwa mit der gepflasterten Fahrspur für die wenigen zugelassenen Fahrzeuge identisch. "Zum Glück hat man einen Fehler nicht begangen", sagt Cabellos in Bezug auf die Küstenstraße: Sie wurde nicht weiter aus- sondern zurückgebaut. Als Ersatz entstand im Hinterland die Autobahn Palma-Llucmajor mit den diversen Zufahrten; für den Nahverkehr wurde zudem die Straße in zweiter Linie herangezogen.

Die Daten und Fakten, die Cabellos für sein Porträt der Playa de Palma heranzog, zeigen in ihrer Fülle gänzlich unbekannte Facetten der heute millionenfach besuchten Badezone. So muss man sich die Playa de Palma - die auf uralten Mallorca-Karten einst S'Arenal del Sud, also Sandgebiet des Süden, hieß - sowie ihr Hinterland im 19. Jahrhundert noch als ein riesiges Feuchtgebiet vorstellen, ähnlich wie die S'Albufera bei Alcúdia. 1846 gab es erste Projekte zum Entwässern des gewaltigen Schilf- und Ententümpels, der im Sommer für Schwärme von Mücken sorgte. Genutzt wurde die Strandzone zum Fischen, zum Sammeln von Algen als Einstreu und Tierfutter, zum Brechen von Sandsteinblöcken aus den Küstenfelsen. In dem Gebiet lebten um 1905 kaum Menschen, fand sich kein Dutzend Häuser.

Andererseits, wie auch?! Kaum zu glauben, dass die gesamte Playa bis zur Grenze nach Llucmajor, dem Torrent dels Jueus, einem einzigen Mann, dem Marqués de Campo Franco gehörte. Sein Unterfangen, dort eine Baugesellschaft zu gründen, endete 1913 desaströs, doch dann übernahmen betuchte Bürger aus Palma und Llucmajor das Konzept, um unweit des Strandes Sommervillen zu errichten. Dazu wurde das Gebiet in Rechtecke aufgeteilt, deren schmale Seite zum Meer zeigte. Dieses damals willkürliche Raster, das ohne jede weitere Raumplanung festgelegt wurde, beeinflusst die Straßenführung und die Bebauungflächen zwischen den Verkehrswegen bis heute. Die Villensiedlungen mit Gärten und reichlich Grünland drumherum sind heute die Keimzellen der Wohnviertel wie Las Maravillas. Der Name Can Pastilla wiederum geht zurück auf das Haus eines Fischers, der im Nebenjob mit Zigarettenstangen, "pastillas", schmuggelte.

Zur Erschließung des Gebietes kam es mit dem Bau der Eisenbahn, die Palma und Llucmajor über S'Arenal von 1916 an verband. Damit nicht genug, existierte von 1921 an eine Straßenbahn, die von Palma und Can Pastilla am Meer bis nach S'Arenal de Llucmajor ruckelte. Die Stromleitung war bereits ein Jahr zuvor gezogen worden.

Jene Bauunternehmer, die aus diesen Anfängen die Schaffung von Sommerchalets für wohlhabende Palmesaner anstießen, hätten sich nicht träumen lassen, dass ihre Initiativen dereinst zum bedeutendsten touristischen Zielgebiet Europas führen würden. Der erste Übernachtungsbetrieb, eine schlichte Herberge, eröffnete 1917. Ein halbes Jahrhundert später waren an der Playa nicht mehr als eine Hand voll Hotels zu finden.

Dann begann plötzlich der Ansturm der Urlauber aus England, Deutschland, Frankreich, Holland, Skandinavien. Auch der Ölschock von 1973 bremste die Entwicklung nur kurz. Immer weiter wurde gebaut, gebaut, gebaut. Gebäude, die heute vielfach als "gereift" gelten, wenn sie nicht komplett integralsaniert werden, wie das derzeit bei vielen Hotels der Fall ist. Doch über die aktuelle Lage an der Playa, an der unter bestimmten Umständen alte Hotels um bis zu zwei Stockwerke aufgestockt werden können, lässt sich Manuel Cabellos nicht aus. In dieses politische Minenfeld wollte sich der Ruheständler dann doch nicht begeben.

(aus MM 4/2017)

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